Interview mit Dr. Ralph Dittmann (WKS Gruppe)
„Der Anteil von Beilagen liegt bei nur 0,2 Prozent aller Emissionen pro Kopf p. a., Fleisch macht bis zu zehn Prozent aus.“

Welchen Einfluss hat die Wirkung jeweiliger Mediengattungen auf den Carbon Footprint? Was sind hybride Mediennutzer:innen? Und warum funktioniert das Zusammenspiel analoger und digitaler Medien in vielen Marketingszenarien so wirkungsvoll? U. a. darüber habe ich mit dem Geschäftsführer der WKS Druckholding GmbH, Dr. Ralph Dittmann, gesprochen.

Jürgen Zietlow und Dr. Ralph Dittmann
Jürgen Zietlow (l) von der Brancheninitiative UmDEX im Gespräch mit dem Geschäftsführer der WKS Gruppe, Dr. Ralph Dittmann (r).
Autor Jürgen Zietlow (l) von der Brancheninitiative UmDEX im Gespräch mit dem Geschäftsführer der WKS Gruppe, Dr. Ralph Dittmann (r).

Die Digitalisierung – und mit ihr das Internet und Apps – verbunden mit immer leistungsfähigeren Devices wie Smartphones, aber auch steigende Rohstoff- und Energiepreise und insbesondere die global eingeleitete nachhaltige Transformation, sind markante Herausforderungen für die Druckbranche. 

Dennoch – und vermutlich teils gerade deshalb – ist der generelle Abgesang auf Print, der noch vor wenigen Jahren recht laut konstatiert wurde, heute beinahe obsolet. Die Druckbranche war und ist zwar vom Wandel in besonderer Weise betroffen und belastet. Doch haben sich viele Unternehmer:innen engagiert und erfolgreich von Betroffenen und Belasteten zu Beteiligten am Wandel reformiert. 

Wendestangen einer 160-Seiten-Rollendruckmaschine am Standort Wassenberg. Die WKS Gruppe produziert bis zu 6.100 DIN A4-Seiten in jeder Sekunde. Häufig Beilagen, die zumeist auf Recyclingpapier gedruckt werden, fast immer auf FSC-zertifiziertem Papier. Bildquelle: WKS Gruppe

Print etabliert sich als nachhaltiges, alternatives Anstoß-Medium

Viele Unternehmen haben sich bei der nachhaltigen Transformation konsequent repositioniert und ihre Produkt- und Dienstleistungspaletten nicht selten weit über die Umweltgesetzgebung hinaus klima- und umweltgerecht kalibriert. Heute ist klar:

Print bleibt in vielen Szenarien ein alternativloses Geschäftsmodell – besonders auch, weil die Wirkung haptischer Medien auf die Nachhaltigkeit einzahlt.

Im Marketing ist Print ein unerreichtes Anstoß-Medium und triggert bzw. erreicht seine Adressat:innen unmittelbarer als digitale Botschaften. Print kommt zu uns! Während digitale Marketingbotschaften bzw. Angebote, etwa über Apps, abgerufen werden müssen. Die haptische Mediengattung emotionalisiert sowohl durch besondere multisensorische Eigenschaften als auch durch die häufig konkurrenzlose Größe, denken wir nur an Beilagen. Die Vergleichsmöglichkeiten und Produktabbildungen auf teils riesigen Doppelseiten können durch digitale Medien physisch nicht emittiert werden.

Das hybride Marketing, im Sinne von Triggern und Anstoßen durch Print, mit Hinleitungen zu digitalen Services wie Onlineshops oder Apps, hat sich als Erfolgsmodell bewährt.

Print punktet in der Kreativ- und Independent-Szene

Auch Verlage und generell die Independent-Szene für Kunst und Literatur, denken wir nur an Independent Publishing Festivals wie die Indiecon, setzen nach wie vor, sogar mehr denn je, auf Print. Gerade, um ihre Werke und Publikation vom digitalen Rauschen abzugrenzen –

und, weil Print in der Szene mittlerweile als besonders nachhaltige Mediengattung identifiziert wird.

Websites bzw. digitale Services werden häufig als sinnvolle Ergänzungen zu analogen Medien verstanden, nicht umgekehrt. 

Dieses neue Verständnis ist teils auch der Druckbranche zu verdanken. Besonders Druckereien im High-Volume-Segment wie die WKS Gruppe haben sich mit Blick auf den Klima- und Umweltschutz herausragend positioniert. Mittlerweile setzt sich die Gewissheit durch, dass Print, besonders auch im direkten Vergleich mit digitalen Medientypen, ausgezeichnete Ökobilanzen vorweisen kann. Das liegt aber nicht nur am Engagement von immer mehr Druckereien bei hochwertigen, offiziellen und genormten Unternehmens- und Produktzertifizierungen (mit Relevanz für den Klima- und Umweltschutz), sondern auch am generell funktionalen Kreislauf- bzw. Recyclingsystem von Papier, nebst den signifikanten Anstrengungen der Papierwirtschaft beim Umwelt- und Klimaschutz

PV-Anlage am WKS-Standort Grabfeld

Die WKS-Gruppe ist hochwertig zertifiziert und produziert zumeist auf Recyclingpapier. Auch sonst wird einiges in den Umwelt- und Klimaschutz investiert. Das Bild zeigt eine PV-Anlage am WKS-Standort in Grabfeld: auf dem Dach und dem nebenliegenden Gelände mit einer Leistung von 5,9 MWp.

Wie wirkt die Wirkung auf die Nachhaltigkeit?  

Erst jetzt hat sich beim Substituieren von Print durch digitale Pendants die Erkenntnis anhand sogenannter Nachhaltigkeits-KPIs durchgesetzt, dass oft vergleichsweise deutlich mehr „digitale Einheiten“ benötigt werden, um dieselbe Responsequote im Vergleich zu „X“ gedruckten Werbeeinheiten zu erreichen. Laut der Organisation „Carbon Literacy Project“ emittiert schon eine E-Mail etwa 10 Gramm CO₂. Mit einem Anhang könnten das bis zu 50 Gramm CO₂ sein. Ein großes Bild, das an 20 Adressaten versendet wird, emittiert etwa so viel CO₂ wie eine Autofahrt von einem Kilometer (Verbrennungsmotor).

Interview mit Dr. Ralph Dittmann, Geschäftsführer der WKS Druckholding GmbH

Dr. Ing. Ralph Dittmann ist seit 2007 Geschäftsführer der WKS Druckholding GmbH. Im Jahr 2011 hat er damit begonnen, alle angeschlossenen Produktionsbetriebe weit über die gesetzlichen Anforderungen hinaus klima- und umweltgerecht zu optimieren. Experten wie Oliver Hensen wurden rekrutiert, der bis heute Managementsystembeauftragter der gesamten WKS Gruppe ist. Sämtliche Produktionsstätten sind (teils schon seit 2012 bis 2015) mit den Managementsystemen EMAS, DIN/ISO 14001 (Umweltmanagement), DIN/ISO 50001 (Energiemanagement) mit dem Blauen Engel DE-UZ 195 und FSC bzw. PEFC zertifiziert: Der Maschinenpark wurde kontinuierlich erweitert und/oder modernisiert. Unternehmen wurden zugekauft. Die Produkt- und Dienstleistungspalette stets erweitert.

„Ich bin sicher kein Rebell, aber an einem sachlichen Diskurs interessiert“

Die Causa Print versus Digital

So wie die WKS Gruppe, stellen sich viele Unternehmer:innen in der grafischen Industrie den Herausforderungen der nachhaltigen Transformation und haben dahingehend ihre Hausaufgaben gemacht. Gerade deshalb ärgert es diese Manager:innen, dass große Handelsketten nennenswerte Marketingbudgets von Print in das digitale Marketing verlagern: Wegen der Umsatzeinbußen, doch zuallererst wegen der begleitenden, massiven Werbekampagnen,  in denen ohne weitere Nachweise erklärt wurde, dass Print nicht ausreichend nachhaltig sei – und die Budgetverlagerung zumeist also aus Gründen des Klima- und Umweltschutzes geschehe. Nach Ansicht der NGO Two Sides verstößt diese Form der Werbung schon jetzt gegen geltendes, mit Sicherheit aber gegen geplantes Wettbewerbsrecht, mit Verweis auf die geplanten Green Claim Directive der EU, die künftig gegen „derartiges“ Greenwashing wirken soll. 

Völlig unklar bleibt indes nämlich, durch welche Formen und vor allem „Quantität“ digitale Werbeeinheiten die Printwerbung im Einzelfall ersetzen. Wohin werden die Budgets verlagert? Mit welchen Auswirkungen auf den Carbon Footprint? So blieb völlig unklar, inwieweit sich dahingehend die Ökobilanzen wirklich verbessern. Anders als bei Print fehlen hier belastbare Informationen. Die digitale Werbewirtschaft kommt ihrer informellen Bringschuld nämlich bis dato so gut wie gar nicht nach. 

Die meisten Unternehmer:innen in der Druckbranche überließen die berechtigten Dementis sowie entsprechende Nachfragen und Klarstellungen den verschiedenen Verbänden in der grafischen Industrie, die zunächst ziemlich emotional reagiert haben.

Ralph Dittmann ging einen Schritt weiter und versuchte vorgenannte Argumente pro Digital durch belastbare Quellen zu verifizieren – und kam dabei auf fundamental andere Ergebnisse. 

Seine recherchierten Quellen, z. B. vom Umweltbundesamt oder dem renommierten Thünen-Institut, sind belastbar und können en detail nachvollzogen werden. Die zunächst für einen Vortrag im Rahmen des INGEDE-Symposiums 2022 zusammengetragenen Fakten konnte Dittmann mit den vorgenannten Aussagen einiger Handelsketten also partout nicht in Einklang bringen. 

Er präzisierte seine Faktensammlung weiter, die schließlich auch als Basis für weitere Vorträge diente, etwa auf dem Online-Print-Symposium 2023 in München oder auf dem Kongress der Print & Digital Convention 2023 in Düsseldorf – die einige Hundert Zuschauer:innen besuchten, nebst mittlerweile summiert über 2.500 Aufrufen bei YouTube. Ralph Dittmann beschwert sich nicht und bleibt bei alledem offen und selbstkritisch. Doch Fakt ist Fakt. 

Mit ihm habe ich über seine Mission gesprochen, über seine Visionen für den High-Volume-Printsektor und darüber, wie er die Lage der Druckbranche mittel- und langfristig bewertet.

Ralph Dittmann, WKS-Gruppe

Geschäftsführer der WKS Gruppe, Dr. Ralph Dittmann, der sich für einen sachlichen Diskurs bei allen Fragen der Nachhaltigen Medienproduktion auf Basis belastbarer Fakten einsetzt. Bildquelle: WKS Gruppe.

Jürgen Zietlow: Herr Dittmann, Sie sprechen kaum über sich selbst. Etwa, dass Sie von 1994 bis 1998 ein Promotionsstipendium der Deutschen Forschungsgesellschaft im Graduiertenkolleg „Interdisziplinäre Strategien zum Schutz der Umwelt“ erhalten haben. Sie haben schon damals interdisziplinär u. a. auch daran gearbeitet, wie Ökobilanzen beschaffen sein sollten? Demnach weit bevor das Thema in der Druckbranche en vogue war!

Dr. Ralph Dittmann: Die DFG wollte ein interdisziplinäres Team installieren, um seinerzeit drängenden Fragen auf den Grund zu gehen. Wir haben uns schon damals, als die Nachhaltigkeit noch nicht ansatzweise so präsent wie heute war, mit Fragen des Recyclings, zum Beispiel von Milchverpackungen, oder mit Stoffkreisläufen beschäftigt. In dieser Zeit wurde auch das Recycling von Automobilen zum großen Thema. Unser Auftrag war, uns auf wissenschaftlichem Niveau über definierte Themen Gedanken zu machen und belastbare Optimierungsvorschläge zu erarbeiten. Das inkludierte auch eine intensivere Auseinandersetzung mit den generellen Strukturen von Ökobilanzen.

 

Die WKS Gruppe ist schon seit 2012 ein Vorreiter bei der zertifizierten nachhaltigen Medienproduktion in der Branche.

Dr. Ralph Dittmann: Wie erwähnt, habe ich das studiert und entsprechend promoviert. Ich bin für mein damaliges Engagement von einigen meiner ehemaligen Kommiliton:innen noch belächelt worden. Heute sind wir nachhaltig State of the Art. Generell leisten die meisten Druckereien im High-Volume-Segment schon durch die Zahlungen an den FSC sehr viel für die Dekarbonisierung. Wir sind es, die die Waldaufforstung zum erheblichen Teil mitfinanzieren. Leider dürfen wir diese Effekte nicht gegen eigene Emissionen buchen, wie z. B. in Entwicklungsländern üblich.

Summa summarum und inklusive der FSC/PEFC-Effekte wäre unsere Industrie vermutlich annähernd klimaneutral.

 

Handeln Sie aus ideologischen Gründen?

Dr. Ralph Dittmann: Ja, aber insbesondere auch aus rationalen Gründen. Mir war bewusst, dass die Beilage früher oder später auf dem Prüfstand stehen würde. Mein Ziel war, dem zuvorzukommen und die Unternehmensgruppe bei der Nachhaltigkeit zum Primus unseres Branchensegments zu machen. Wohl wissend, dass die nachhaltige Transformation ein komplexes Vorhaben war und der Weg zum Status quo einige Jahre Zeit beanspruchen würde.

 

Haben Ihre Kunden Sie zu mehr Nachhaltigkeit motiviert oder Sie Ihre Kunden?

Dr. Ralph Dittmann: Das waren wir! Aus Überzeugung. Wir sind schon sehr aktiv auf unsere Kunden zugegangen und haben das Thema proaktiv angesprochen und auch die Prozesse und Bedingungen erklärt.
Beraterkompetenz bei der Nachhaltigkeit ist ein wesentlicher Schlüssel für den Absatz!
Ebenso haben wir unsere Lieferanten auf Ihre Bringschuld bei der Nachhaltigkeit hingewiesen.

 

Das gilt für alle Betriebe der WKS Gruppe?

Dr. Ralph Dittmann: Ganz genau. Sämtliche Produktionsbetriebe handeln nach den Statuten hochwertiger und offizieller DIN/ISO Normen, speziell beim Umwelt- oder Energiemanagement und sind mit FSC/PEFC zertifiziert sowie berechtigt, die meisten Druckprodukte mit dem Best-in-Class-Druckproduktlabel Blauer Engel DE-UZ 195 auszuzeichnen.

 

Umso ärgerlicher, dass große Handelsketten die Verlagerung von teils erheblichen Budgets von Printwerbung ins digitale Marketing mit dem Nachhaltigkeitsargument begründet haben. Sie haben das mit wissenschaftlicher Gründlichkeit durch recherchierte, belastbare Quellen widerlegt.

Dr. Ralph Dittmann: Viele der in der Presse zu lesenden Argumente vonseiten einiger Handelsketten waren faktisch einfach nicht korrekt. Die WKS Gruppe stellt sich gerne jeder Diskussion. Wir halten uns nicht für perfekt. Doch bei den in Ihrem vorausgehenden Text erwähnten Argumenten wurde über sehr reichweitenstarke Pressekampagnen mit diversen, unwahren Argumenten jongliert und teils auch falsche Angaben über Papier und Print publiziert.

 

Vorsätzlich?

Dr. Ralph Dittmann: Wenn Sie das so sehen!? Jedenfalls war hier eine gute Portion Marketing bzw. Populismus im Spiel. Ich weiß nicht, inwieweit den beauftragten Werbe- und Presseagenturen bei den inszenierten Pressekampagnen selbst die Pferde durchgegangen sind. Das zu bewerten, ist nicht mein Job. Sehr wohl aber, unvollständige oder sogar falsche Aussagen und Assoziationen mit Nachdruck zu korrigieren.

Fortsetzung: 2. Teil des Interviews >

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Jürgen Zietlow

Jürgen Zietlow

Umweltjournalist, Spezialist für nachhaltige Kommunikation. Lobbyist für die Nachhaltige Transformation

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Klimapositivität
​Klimaneutral war gestern, denn der Zeitpunkt an dem sich der Klimawandel verselbständigt, wird schon bald erreicht sein. Die Erderwärmung wird erst dann wieder zum Stillstand kommen, wenn es gelingt, das Gleichgewicht zwischen Ausstoß und Senkung von Treibhausgasen nicht nur zu neutralisieren, sondern ins Positive zu wandeln. Klimapositivität ist daher das Gebot der Stunde,

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