Zeichen der Nachhaltigkeit
Der Liberalismus des Marktes: Invasion von Nachhaltigkeits-Labels

Die global gravierenden Umweltprobleme und sozialen Fragen in Folge der kaum noch kontrollierbaren weltweiten Industrialisierung und Ausbeutung globaler Ressourcen, veranlassen mittlerweile immer mehr Konsumentinnen und Konsumenten dazu, nachhaltige Produktionsprozesse einzufordern, die dem Wunsch entsprechen, die negativen Auswirkungen auf Menschen und Umwelt dauerhaft erheblich zu vermeiden. Als Orientierungshilfe sollten dazu unabhängig überprüfbare Umweltzeichen dienen, doch das ist leider nicht immer der Fall.

Labeldschungel Druckbranche
Auswahl Globaler Umweltlabels, Grafikzusammenstellung: UmDEX-Redaktion, Guido R. Schmidt
Auswahl Globaler Umweltlabels, Grafikzusammenstellung: UmDEX-Redaktion, Guido R. Schmidt

​Die Möglichkeit Produkteigenschaften mit Hilfe von Labels in die Kommunikation zwischen Herstellern und Verbrauchern einzubinden, nutzten mittlerweile viele Unternehmen dazu, sich durch Zertifizierungen, ökologische Gütezeichen und ethische Engagements auf dem Markt zu profilieren. Dies hat unter anderem dazu geführt, dass ein, vor allem für Endverbraucherinnen und Endverbraucher, kaum noch überschaubarer „Label-Dschungel“ entstanden ist. Seit der Einführung des Blauen Engel im Jahr 1978 als erstes staatliches und auch weltweit akzeptiertes Umweltzeichen, ist die Anzahl an Labels der Nachhaltigkeit global immer deutlicher angestiegen.

Laut dem Ecolabel-Index gibt es mittlerweile 463 Zeichen in 199 Ländern und in 25 Industriesektoren. Damit einhergehend hat auch der Wettbewerb unter den Labels nicht nur in der DACH-Region, sondern auch weltweit enorm zugenommen. Darunter litt nicht nur die Qualität der Labels, sondern es führte auch zu einer steigenden Verwirrung und Skepsis unter Verbraucherinnen und Verbrauchern, sowie einer permanent wachsenden Konkurrenz der Labels untereinander.

Die Folgen der privatwirtschaftlichen Label-Konkurrenz

Das konkurrierende Nebeneinander vieler Labels hat dazu geführt, dass Zertifizierungen ihre ursprüngliche Rolle verloren haben und daher ihr Beitrag zu einer nachhaltigeren Welt minimal ist. Viele Zertifizierungsprogramme mindern ihre Kriterien, um somit Unternehmen die Möglichkeit zu geben, höhere Produktvolumina zu generieren und zu vermarkten. Dass dabei die Transparenz der Produktherstellung oft auf der Strecke bleibt, wird hingenommen, auch wenn dadurch nicht nachhaltige Unternehmen und ihre Produktionspraktiken profitieren und somit einem marktpolitischen Greenwashing Tür und Tor geöffnet wird.

Daher ist es notwendig, falls die Zertifizierungen beim Übergang zu einer nachhaltigeren Wirtschaft eine fundamentale Rolle spielen sollen, dass sie grundlegenden Reformen unterzogen werden müssen.

Zwar hat die Internationale Normungsorganisation (ISO) mit der ISO 14020–Reihe eine weltweite Normung umweltbezogener Kennzeichen vorgenommen, doch zeigt sich auch hier eine Verlagerung des Problems in Richtung Staatsversagen, da die Option zur Selbstdeklarierung nachhaltiger Produktion nicht eindeutig gelöst wurde. Beispielsweise ist die Regulierung und Überprüfung von Produktkennzeichnungen, die auf internationaler Ebene freiwillig durch private Unternehmen erfolgen, aus europarechtlichen Gründen nur eingeschränkt möglich.

Die Vorteile klassischer staatlicher Typ1-Umweltzeichen

Im Jahr 1999 wurden daher mit der ISO 14024 Norm die Typ1 Kennzeichnungen eingeführt. ISO Typ1 Labels gelten als die „klassischen“ staatlichen Umweltzeichen. Ziel der Normung war die Auszeichnung besonders umweltverträglicher Produkte. Ein unabhängiges Gremium legt für Typ1- Zertifizierungen bestimmte Produktkriterien unter Berücksichtigung des gesamten Produktlebensweges fest. Auf Antragstellung dürfen Hersteller und Handel beim Nachweis der Erfüllung der vorgeschriebenen Kriterien das Umweltzeichen auf ihren Produkten verwenden.

Damit können Umweltzeichen wie der Blaue Engel, das Österreichische Umweltzeichen, oder das EU Ecolabel, die dem ISO Typ1 zuzurechnen sind, von anderen Unternehmens- und Branchenzeichen nachweislich unterschieden werden.

Typ1-Umweltzeichen, wie die eben genannten, sowie Umweltzertifizierungssysteme wie EMAS oder ISO 14001 haben hohe Standards der betrieblichen Nachhaltigkeit entwickelt, indem sie transparent nachvollziehbare Zugangsvoraussetzungen vorschreiben und ständige periodische Überprüfungen durch unabhängige Gutachter einfordern.

Seriöse staatliche Nachhaltigkeitsprogramme stützen sich auf vordefinierte Prinzipien der Zertifizierung:

  1. Transparenz, vor allem was die Kriterien und Berichterstattung über die Leistung der zertifizierten Unternehmen anbelangt, sowie die Förderung von Lieferkettentransparenz.
  2. Unabhängigkeit, einschließlich der Beseitigung von Interessenkonflikten, wie beispielsweise die Mitgliedsbeiträge vom Zertifizierungsprozess und der Überprüfung der Einhaltung von Auflagen zu entkoppeln, sowie sicherzustellen, dass die Festlegung der Standards durch unabhängige Stellen erfolgt.
  3. Ganzheitlicher Ansatz mit hoher Rückverfolgbarkeit, der darauf abzielt, den gesamten Lebenszyklus eines Produkts abzudecken, und Unternehmen keine Auswahl von Kriterien nach ihrem jeweiligen Bedarf erlaubt oder eine Zertifizierung mit Ausnahmeregelungen ermöglicht.
  4. Ausrichtung auf ständige Verbesserung, einschließlich der Anwendung hoher Standards, damit nur Unternehmen zertifiziert werden, die nachweislich weit über die durchschnittliche Leistung hinausgehen und sich um ständige Verbesserung bemühen.

Freiwillige Unternehmens-Initiativen und -Zertifizierungen mögen bei der Umsetzung nachhaltiger betrieblicher Praktiken zwar eine gewisse Rolle spielen, aber staatliche und internationale Regelungen können damit definitiv nicht ersetzt werden.

Das Global Ecolabelling Network (GEN)

Aus diesem Grund wurde im Jahr 1994 das Global Ecolabelling Network (GEN) gegründet. Die Non-Profit Organisation ist ein weltweiter Interessenverband, der die Vergabe von Typ1- Umweltzeichen nach dem Vorbild des Blauen Engels für Produkte mit umweltfreundlichen Eigenschaften fördern und weiterentwickeln möchte. Das Ziel des Interessenverbandes, dem derzeit 30 Umweltzeichen-Organisationen weltweit angehören, ist es, den Erfahrungs- und Informationsaustausch bezüglich nationaler Umweltzeichen-Aktivitäten zu koordinieren und die Umweltzeichen-Programme der einzelnen Staaten zu fördern. Dabei wird die Entwicklung der Typ1-Umweltzeichen nach ISO 14024 unterstützt.

Das Global Ecolabelling Network folgt der International Organization for Standard für Typ1-Umweltzeichen. Die Norm ISO 14024:2018 erkennt die Konformität von Typ1-Umweltzeichen in Bezug auf ihre Prinzipien und Verfahren an. Sobald eine Organisation nachweist, dass sie die Standards erfüllt, wird sie für das Label zertifiziert.

Die internationale Organisation für Standards konzentriert sich ebenfalls auf die 17 Ziele der Vereinten Nationen (Sustainable Develepment Goals (SDGs) für nachhaltige Entwicklung, die dazu beitragen sollen, die wichtigsten  ökologischen, klimatischen und sozialen Probleme der Welt zu lösen. Die ISO 14024 trägt dazu bei, vier der siebzehn Ziele der SDGs umzusetzen, nämlich:

Ziel 12– verantwortungsvoller Konsum und verantwortungsvolle Produktion,

Ziel 13 – Klimawandel,

Ziel 14 – Leben unter Wasser und

Ziel 15 – Leben an Land.

Der Blaue Engel ist Mitglied im Global Ecolabelling Network und unterhält enge Kooperationen mit internationalen Organisationen und anderen nationalen TYP1-Umweltzeichen, die in ihren Ländern ebenfalls eine wichtige Rolle als Kompass für nachhaltigen Entwicklung spielen.

Ein wesentlicher Schritt sind dabei Vereinbarungen zur gegenseitigen Anerkennung (so genannte Mutual Recognition Agreements). Diese Vereinbarungen beinhalten in der Regel Prüfung und Zertifizierung von Zeichennutzungsanträgen. Dies erleichtert es insbesondere zertifizierten Unternehmen, das Umweltzeichen des jeweils anderen Landes zu nutzen. In diesem Sinne hat der Blaue Engel bisher Vereinbarungen mit Österreich, China, Japan und Südkorea getroffen.

Die Modernisierung staatlicher Umweltzeichen

Die Marktanteile der staatlichen Umweltzeichen liegen, trotz des relativ hohen Bekanntheitsgrades der jeweiligen Labels, meistens eher im unteren Bereich der Käuferentscheidungen. Die Gründe für das Gefälle zwischen Wahrnehmung und alltagspraktischer Bedeutung liegen oft in der nicht mehr zeitgemäßen Vermarktung der staatlichen Umweltzeichen gegenüber vielen privatwirtschaftlichen Labels, die, wie etwa das Label Cradle to Cradle trotz ihrer Intransparenz und unzureichenden Nachhaltigkeitsstrategien einfache und leicht fassbare Orientierungen liefern.

Daher ist es notwendig, dass sich definierte staatliche Umweltzeichen dauerhaft immer wieder neu im Dschungel der privatwirtschaftlich existierenden Marken, Zeichen und Signale durchsetzen.

Das EU Eco-Label, der Blaue Engel und das Österreichische Umweltzeichen dürfen ihre gewachsenen Stärken nicht verlieren.

Sobald es um die Wahrnehmung der Einzigartigkeit und Autorität als klassische, staatliche Umweltzeichen geht, ist es notwendig, die Erhöhung der Prägnanz bei gleichzeitigem Erhalt der Wiedererkennung und des langfristig aufgebauten Vertrauens durch transparentes staatliches Marketing zu sichern.

Nur mit Hilfe dieser Methodik ist es möglich, dass Verbraucherinnen und Verbraucher die Unterschiede zwischen nachprüfbaren Umweltzeichen und Labels, die lediglich dem unternehmerischen Interesse des Greenwashings dienen, erkennen können.

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Guido Rochus Schmidt

Guido Rochus Schmidt

Autor, Redakteur, Experte für die Nachhaltige Medienproduktion, Lobbyist für die Nachhaltige Transformation

Guido Rochus Schmidt war von 1979 bis 2013 Geschäftsführer der Ulenspiegel Druck GmbH & Co. KG, die 1999 als erste Druckerei Bayerns das EMAS-Zertifikat der Europäischen Union erhielt. Als Umweltexperte betreute er von 1999 bis 2017 die ökologische Fortentwicklung des Unternehmens. Seit 2017 berät der Experte Unternehmen bei allen Fragen der Nachhaltigen Medienproduktion.

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