Web-to-Print
Einfalt statt Vielfalt bei Web-to-Print-Produkten

Viele Unternehmen geben den Web-to-Print-Anbietern die Schuld für den desaströsen Preisverfall und den Auftragsrückgang der letzten zehn Jahre. Internet-Druckereien bedienen momentan etwa 25 Prozent des 20,4 Milliarden schweren Marktes für Web-to-Print-Produkte im deutschen Sprachraum – das in früheren Jahren für traditionelle Druckbetriebe kaum existent war.

von | Februar 2020 | Allgemein | 0 Kommentare

Ästhetik von Druckerzeugnissen
Ästhetische graphische Produktvielfalt im Gegensatz zur Web to Print -Einfalt, Bildquelle: Ulenspiegel Druck GmbH

Ein cleveres Geschäftsmodell für Web-to-Print-Produkte nützt das schier unerschöpfliche Potential des Internets und fügt sich damit nahtlos in das Konsumverhalten der modernen Gesellschaft ein. Ein Kundenstamm aus permanent online präsenten, jedoch kaum durch Individualität identifizierbaren Konsumenten, denen es oftmals gleichgültig ist, unter welchen sozialen und qualitativen Bedingungen ihre Druckprodukte hergestellt werden, weil entweder der Sachzwang des schmalen Budgets den niedrigsten Einkaufspreis diktiert oder weil mittlerweile die Geiz-ist-geil-Formel schon unumstößlich im Bewusstsein verankert ist.

Genau dieses eindimensionale Denken aber ist das wirklich ernst zu nehmende Problem für alle Kreativen und ihre Partner in den traditionellen Qualitätsdruckereien, denn es bedingt die Stereotypisierung des Printmediums und seiner graphischen Merkmale. Diese stereotype Eindimensionalität geht zudem einher mit dem Verlust ethischen Handelns, wie es sich mittlerweile oft genug durch alle Ebenen der Gesellschaft zieht.

Der gierige Markt der Eindimensionalität bei Web-to-Print-Produkten

Bei einem Volumen von 20,4 Milliarden Euro des deutschen Druckmarkts im Jahr 2018 entfielen 56 Prozent auf standardisierte Werbedrucke, Kataloge und Prospekte – ein großer Markt um weitere Begehrlichkeiten zu wecken. So groß immerhin, dass inzwischen schon zweiunddreißig Online-Druckereien und -Agenturen um diesen Markt buhlen. Die Zuwächse in Deutschland sind enorm, in anderen europäischen Ländern sind sie offenbar noch höher, so dass die großen deutschen Online-Drucker längst auch andere Märkte anpeilen.

Der Markt an Drucksachen in den 27 von Eurostat erfassten Ländern wird von rund 110.000 Druckereien bedient und ist rund 60 Milliarden Euro schwer. Gut 25 Prozent davon sehen die Internet-Druckereien als ein für sie relevantes Marktpotenzial. Bei diesen Aufträgen handelt es sich meist um standardisierte, vergleichsweise einfache Drucksachen, die nicht unbedingt in den Bereich der Großauflagen oder der Qualitätsdrucksachen fallen. Vor allem der Markt mit Geschäftsausstattungen und Flyern bewegt sich aufgrund der ständig fallenden Preise weiter Richtung Internet. Was für viele kleine Einzelhändler früher das Zweckform-Manual war, wird heute durch das im Internet bestellte Briefpapier ersetzt. Wer sich intensiver im Internet umschaut, wird jedoch feststellen, dass viele Angebote nicht so preiswert sind, wie immer behauptet wird. Auch die Lieferzeiten (bei Standardproduktionen im Durchschnitt bis zu fünf Arbeitstagen) sind nicht immer unbedingt das, was man unter einem „Schnellschuss“ versteht. Natürlich gibt es Geschäftsdrucksachen oder Flyer über Nacht und dies zu Preisen, an die früher niemand gedacht hätte.

Das Erfolgsgeheimnis des Web to Print

Doch das sind nicht die Errungenschaften der Web-to-Print-Anbieter sondern der industriellen Druckproduktion ganz generell – und darüber hinaus der Tribut, den die gesamte Branche an Überkapazitäten, technischen Innovationen und fortschreitender Prozessoptimierung zahlen muss. Egal ob Web-to-Print oder traditioneller Druckbetrieb: Preiswert anzubieten und dabei wirtschaftlich zu produzieren, funktioniert nur dann, wenn alle Prozesse vom Auftragseingang bis zur Logistik optimiert und perfekt aufeinander abgestimmt sind. Bei einem gut durchorganisierten Workflow sind allein in der Vorstufe Einsparungen von bis zu 60 Prozent erzielbar, zusammen mit dem Druck immerhin bis zu 40 Prozent. Durch die automatisierten Prozesse im administrativen Bereich verkürzt sich die Reaktions- und Lieferzeit für die Kunden um bis zu 70 Prozent.

Das Erfolgsgeheimnis des Web-to-Print liegt im standardisierten Bereich der Vorstufe und der Auftragsabwicklung – keine individuelle Beratung sondern Daten-Upload und anschließende Lieferung.

Bestellt ein Kunde bei einer Online-Druckerei etwa Briefpapier, wird dieses zusammen mit den Briefpapieren anderer Kunden auf einer Sammelform gedruckt. Mehrere Besteller teilen sich somit die Kosten für Druckform und Druck. Natürlich werden sie dadurch auch gezwungen, sich die Höhe der Auflage, die Art des Papiers, seine Grammatur sowie die Farbigkeit des Druckes zu teilen, d.h. die Individualität des eigenen Auftritts verschwindet zugunsten des Preises unter x-fach gleich anmutenden Briefpapieren, Flyern und Prospekten. Dasselbe gilt für Visitenkarten, Flugblätter, Faltblätter und Broschüren.

Mit den Drucksachen via Internet ist es letztlich wie mit Obst und Gemüse aus den Theken der Vollsortimenter.

Nicht der Geschmack ist entscheidend sondern der Preis.

Über das Preisdiktat zwingt der Anbieter den Verbraucher zum Konsum standardisierter Einheitsware (genormte Form, Größe und Geschmack). Der Verbraucher nimmt das in Kauf, auch weil er – um im Bild zu bleiben – mittlerweile den Geschmack reifen Obstes oder guten Gemüses schon gar nicht mehr kennt.

Ästhetische Individualität als Chance

Eine Untersuchung des Verbandes der Druckindustrie hat bestätigt, dass die Kunden einer Internetdruckerei größtenteils Endverbraucher sind, die sich nicht mit der Wirkung von Drucksachen beschäftigen sondern für die ein Druckprodukt in erster Linie Information sein muss, ein Massenmedium für die einmalige Wahrnehmung. Betrachtet man in beliebigen öffentlichen Räumen die Infoständer, so wird man feststellen: Ob Politgruppe, Yoga-Workshop, Sushi-Take-Away – sie alle präsentieren sich mit 08/15-Foldern und -Flyern, die sich zum Verwechseln ähnlich sehen und deren Botschaft man oftmals erst auf den zweiten Blick erkennt, und die zudem in keiner Weise durch ihre individuelle Aufmachung oder haptische Anmutung Beachtung finden. Die Geschäftsidee des Web-to-Print war und ist so eindimensional wie erfolgreich: Kunden zu generieren und über das Preisdiktat eine Nachfrage zu befriedigen, die in dieser Art vorher nie im Fokus eines traditionellen Druckunternehmens gestanden hat.

Hier liegt – trotz des allgemeinen Preisverfalls – die große Chance der traditionellen Qualitätsdruckereien: Der Einfalt des Web to Print – Produkts die große ästhetische Vielfalt individueller Druckerzeugnisse entgegenzusetzen. Unternehmen wie oeding print GmbH, Druckstudio GmbH, DBM Druckhaus Berlin-Mitte GmbH, Druckerei Lokay Druck e. K., Ulenspiegel Druck GmbH, Druckerei Janetschek, Printzipia, Kern GmbH, die an ihren Standorten ihre Kunden nicht nur individuell beraten sondern auch seriöse umweltgerechte Druckprodukte anbieten können, sind die Garanten für den Fortbestand des vielfältigen Mediums Print.

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Guido Rochus Schmidt

Guido Rochus Schmidt

Autor, Redakteur, Experte für die Nachhaltige Medienproduktion, Lobbyist für die Nachhaltige Transformation

Guido Rochus Schmidt war von 1979 bis 2013 Geschäftsführer der Ulenspiegel Druck GmbH, einer der bis heute ökologischsten Druckereien Europas, seit 1999 mit EMAS zertifiziert. Als Umweltexperte betreute er von 1999 bis 2017 die ökologische Fortentwicklung des Unternehmens. Seit 2017 berät der Experte Unternehmen bei allen Fragen der Nachhaltigen Medienproduktion.

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