Printagenda 2030
Print und die Krisen-Kräfte

Die Superpower von Print hat sich im Umfeld einer ausgereiften Digitalisierung behauptet. Doch die digitale und nachhaltige Transformation zerrt immer ruppiger am Universum der schwarzen Kunst – an liebgewordenen Traditionen und Gewohnheiten. Silodenken ist keine Option mehr. Design Thinking, Mobile Advertising, Hyperrelevanz. Jetzt ist die Zeit, Medienbrücken zu bauen: Printagenda 2030, eine Prognose.

von | Oktober 2022 | Allgemein | 0 Kommentare

Krise in der Druckbranche bedroht Unternehmen
Wirken sich die transformatorischen Kräfte der Krise im Endeffekt positiv auf die Druckbranche aus?
Wirken sich die transformatorischen Kräfte der Krise im Endeffekt positiv auf die Druckbranche aus?

Seit Beginn der Corona-Pandemie fügt sich vieles nicht mehr richtig zusammen. Wir erleben die unkalkulierbarsten Jahre seit Ende des Zweiten Weltkrieges. Eine reale Zeitenwende also, die jeden von uns bewegt und betrifft: Inflation, drohende Rezession, gestiegene Energiepreise, wieder zunehmende Pandemie-Restriktionen, der eskalierende Krieg in der Ukraine. Daneben ein scharfer Rechtsruck in der EU. Schweden und Italien folgten auf Polen und Ungarn. Das läuft dem „Soul of Europe“ entgegen.

Was tun? Abwarten? Soweit möglich einfach so weitermachen? Konsolidieren? Gesundschrumpfen? Gerade jetzt investieren, gar expandieren?

Die Summe der Krisen richtet ein strategisches Tohuwabohu in unseren Köpfen an. Viele warten ab, eine Haltung, die förmlich in der Luft liegt. Unterschwellig schwelt ein ungutes Gefühl, dass die bestehenden Krisen noch nicht den Peak markieren. Immerhin: jede Krise entfaltet teils gewaltige transformatorische Kräfte, denken wir nur an Themen wie Homeoffice oder Videokonferenzen, die durch Corona enorm gepusht wurden, mit durchaus positiven Effekten. Auch die rasant steigenden Energiepreise werden im Endeffekt positive transformatorische Kräfte entfalten. Leider auf Kosten unserer Leistungsträger:innen.  Zu viele Unternehmen werden die kommenden Wintermonate wirtschaftlich vermutlich nicht überleben. Andere wiederum klagen derzeit auf hohem Niveau.

Und dann ist da noch die Klimakrise.

Der Klimawandel entwickelt sich zur bedrohlichsten aller Krisen.

Faktencheck Klimawandel

Natürlich: Klimaleugner und Relativierer haben Hochkonjunktur. Niemand hat Bock auf dieses Thema, solange es nicht akut bedrohlich wird bzw. die eigene Existenz nicht unmittelbar betroffen ist. Zu Erinnerung:

Neben den bisher vielen erdgeschichtlichen Klimaveränderungen, wird der aktuelle Klimawandel zusätzlich durch jährlich 37,2 Milliarden Tonnen menschgemachten Kohlendioxids sprichwörtlich angeheizt, besonders auch durch Gas. Die Menschen blasen etwa hundert Mal mehr klimarelevante Gase in die Atmosphäre, als alle Vulkane auf der Welt in ihrer Aktivphasen (lt. einer schon etwas älteren Studie, die immer noch zitiert wird (British Geological Survey: Vicky Hards, 2005, PDF). Vulkane galten bis dato als die Hauptursache für klimatische Veränderungen, quer durch die Jahrmillionen. Schon heute herrschen nachweislich (Eiskernbohrungen) andere Klimaverhältnisse als während des gesamten zurückliegenden Quartärs (rund 2,7 Millionen Jahre), etwa die Zeit also, in der sich die Menschheit entwickelte. Tendenz: sehr stark steigend. Heute leben etwa die Hälfte der Menschen in gefährdeten Küstenregionen. Noch nie hat ein Klimawandel fast acht Milliarden Menschen betroffen. Da tickt eine gigantische Zeitbombe im globalen Format.

Diese und viele weitere evidente Fakten legitimieren die Konzepte der Agenda 2030, die Vision der 17 SDGs (Ziele für Nachhaltige Entwicklung) die Idee einer dekarbonisierten Wirtschaft, eine konsequent nachhaltige Medienproduktion und den entschlossenen Abgesang auf fossile Energieträger, insbesondere von Öl, Gas und Kohle.

Ziele SDG in der Druck- und Medienbranche

Die 17 Goals der Vereinten Nationen (SDGs, Sustainable Development Goals). Bildquelle: EU

Unbegrenztes Wachstum in einer Welt mit begrenzten Ressourcen, selbst grünes Wachstum, wirkt diametral zu einer nachhaltigen Transformation.

Die Abkehr aus der bisherigen Realitätsverweigerung erfordert jetzt Maßnahmen, die bitter sind. Doch ungleich bitterer wäre es, die Warnsignale weitere Jahre zu ignorieren. Die Folgen würden uns vermutlich langsamer treffen als durch aktuelle Maßnahmen, jedoch spätestens unsere Kinder umso heftiger.

Zweifler an der nachhaltigen Transformation sind nicht etwa ungebildet, sondern gleichgültig. Teils bezahlte Trolle, die sich der populistischen Ideologie von Klimaleugnern anschließen, nebst Fake-News. Applaudierer gibt es derweil noch genug. Möge alles bitteschön so bleiben wie es einst war!? Wer würde sich das nicht wünschen?

Wo sind die Visionen, die uns triggern?

Um der miesen Stimmung in der Wirtschaft und Gesellschaft entgegenzuwirken, bräuchte es eine klar formulierte, politische Vision. Eine gigantische Marketingkampagne die visualisiert, wie die EU 2030 oder 2050 aussehen könnte.

Im Jahr 2000 trat das erste Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) in Kraft, initiiert von der damaligen Rot-Grünen Regierung unter Gerhard Schröder. Die Welt staunte nicht schlecht. Deutschland war ein blühendes Vorbild, bis die Regierung unter Angela Merkel das Tempo wieder verlangsamte. Deutschland verlor seine Spitzenstellung. Andere Länder profitierten. Die Energiewende wurde zur gähnend langweiligen Pflichtkür. 16 Jahre also, in denen z. B. schon Hunderte Milliarden Euros in diesen Sektor hätten investiert werden können, um jetzt davon zu profitieren. Eine historische Chance wurde verspielt, was uns heute ungleich mehr Geld kostet.

Ich glaube immer noch an die Idee der EU, wenn auch längst nicht an all ihre Vertreter:innen), mit einem Bruttoinlandsprodukt (BIP) von rund 14,45 Milliarden Euro. Wir sind die drittgrößte Volkswirtschaft der Welt, nach den USA und China und repräsentieren über 20 Prozent der globalen Wirtschaftsleistung. Eine Gemeinschaft von fast 450 Millionen Menschen.

Deutschland und Europa haben immer noch die Kraft, mutige politische Entscheidungen zu treffen, die schon mittelfristig enorme Erfolge versprechen. Ich denke an die Wasserstofftechnologie, den aktuellen Bau neuster Batteriewerke, an die wiederbelebte Chipindustrie (kraft massiver EU-Förderungen) oder die Pläne, auch die Solarindustrie in der EU wieder fit zu trimmen. Auch die Chinesen fördern ihre Wirtschaft auf vielschichtige Weise. In vielen Cleantech- bzw. Green Economy-Bereichen sind Unternehmen der EU nach wie vor führend, auch Dank Förderungen aus Programmen des European Green Deal.

EU-Parlament. Der Europäischen Union gelingt es derzeit nicht, Visionen zu transportieren, die gewisse Opfer legitimieren.

Not macht erfinderisch und die transformatorischen Kräfte könnten sogar Wunder bewirken. Eine Vision könnte z. B. sein, dass Unternehmen in einer vom internationalen Energiemarkt (und seinen Despoten) unabhängigen EU-Wirtschaft künftig sogar von den günstigsten Energiepreisen weltweit profitieren. Oder, dass Hunderttausende neue, sichere Arbeitsplätze im Bereich sauberer Technologien entstehen. Erstrebenswert Leitbilder sind die Regionalisierung von Teilen der Wirtschaft oder eine regenerative Landwirtschaft und so vieles mehr.

Deutschland oder der EU gelingt es gerade nicht, Visionen zu formulieren, die uns motivieren, heutige Opfer mit klaren Zukunftsvisionen zu verknüpfen. Zu den Visionen zählt sicher nicht, dass eine einzelne Person mit einem Zwei-Tonnen-Tesla oder -Mercedes durch die Gegend brettert. Da ist vieles nicht schlüssig. Es braucht eine klare Definition von grünem Wachstum. Eigentlich müsste es grüne Schrumpfung oder zumindest grüne Transformation heißen.

 

Publikationen der Wirtschaftsjournalistin Ulrike Herrmann

Ihre Wirtschaftsbücher sind Bestseller:

Buch, Sabine Herrmann

Das neue Buch der Wirtschaftsjournalistin Ulrike Herrmann. Bildquelle: U. Herrmann

Weitere Quellen:

Diese Transformation ist real – sie passiert gerade jetzt, in Echtzeit!

Die Transformation ist im Gange: hier bei uns und in den meisten westlichen Ländern.

Fakt ist: Bullshit-Companies, Unternehmen also, die Milliarden investieren, nur, um Produkte in den Markt zu pushen, die ohne werblichen Psychoterror niemand bräuchte, sind angezählt. Auch solche Unternehmen, die künftig nichts Reales zur nachhaltigen Agenda beitragen. Steigende CO2- und Energiepreise werden Unternehmen, die sich der Transformation verschließen, früher oder später in die Knie zwingen. Das betrifft auch bestimmte Druckereien und ihre Produkte.

Derweil entstehen zig Tausend neue, intelligente und streng nachhaltig sowie sozial fokussierte Start-ups bzw. hochflexible Lean-Start-ups. Die Erfolgsmessung orientiert sich nicht mehr am Geld allein, sondern wird zunehmend konsequent abseits bisheriger Betriebswirtschaftslehren definiert, z. B. durch: Umwelt- und Nachhaltigkeitsberichte oder durch überzeugende Awareness, Authentizität oder bedingungslose Transparenz.

Die Customer Experience wird zur Sustainable Customer Experience –

besonders in westlich orientierten Ländern. Das ist schon lange keine Öko-Poesie mehr, sondern ein gutes Geschäftsmodell. Gewinne bleiben natürlich erlaubt. Doch am Ende entscheidet allein die Nachfrage über den Cashflow. Nur zwei Beispiele:

Unternehmen verkaufen sich an „die Erde“ und proklamieren:

„Die Erde ist unser einziger Aktionär“,

sagt u. a. der Patagonia-Gründer Chouinard, der sein milliardenschweres Unternehmen an eine gemeinnützige Stiftung übertragen hat. Auch Bill Gates spendete jüngst quasi sein ganzes Vermögen, neben vielen weiteren Beispielen.

Auch das Bürgergeld dokumentiert diese Transformation und ist bereits die Version 1.0 des bedingungslosen Grundeinkommens, ein Schritt, den viele niemals für möglich hielten. Und so geht es weiter: Die Irländer testen die 4-Tage-Woche und auch deutsche Recruiter:innen berichten, dass u. a. auch IT-Fachkräfte die 4-Tage-Woche fordern, bei 100 Prozent Homeoffice. Diese beispielhaften Merkmale der Transformation sind ein Statusbericht, keine Philosophie!

Wir haben u. a. über die Industrie 4.0 und die Transformation aus der Vogelperspektive berichtet und vieles richtig prognostiziert. 

Was hat das alles mit Print zu tun!?

Die Themen der Brancheninitiative UmDEX/Print sind Nachhaltige Medien und deren Produktionsverfahren. Und ja: Die vorgenannten und viele weitere ähnliche Ereignisse haben sogar sehr viel mit Print und der grafischen Industrie zu tun, denn die mit Beginn der Corona-Pandemie beschleunigten transformatorischen Kräfte betreffen die Medienindustrie unmittelbar, nicht nur mit Blick auf die Energie- und Rohstoffpreise. Auch in Bezug auf die Personalfindung, die Nachfragesituation und also auch bezüglich der strategischen Ausrichtung insgesamt.

Das Konzept der Brancheninitiative UmDEX, die professionelle Nachhaltigkeit bei der Druckproduktion auf ein Fundament nachvollziehbarer Fakten zu stellen, ist das dahingehend wichtigste Statement in der Druckbranche. Druckereien der UmDEX-Klasse zahlen insbesondere auch auf den Klimaschutz ein.

Der UmDEX ist für Printbuyer:innen aktuell die härteste Währung im Umweltschutz.

Das Tempo der Transformation wird sich nochmals erheblich steigern – einer der es aus erster Quelle wissen muss ist Klaus Schwab, Präsident des Word Economic Forums (WEF), der wohl am besten vernetzte Mann der Welt. Er hat bereits 2020 eine bis dato noch unvorstellbare „transformatorische Kraft“ mit Blick auf das 2030er-Zieljahrzehnt postuliert. Wer sich interdisziplinär informiert, dürfte kaum an der Realisation zweifeln.

Auswirkungen Krise auf die Druck und Medienbranche

Die Druck- und Medienbranche hat die richtigen Produktionserfahrung und Methoden, um der digitalen und nachhaltigen Transformation zielführend zu begegnen. Bild: pixabay

Printbuyer:innen werden Druckprodukte künftig nur deshalb kaufen, weil sie aus ihrer Sicht wirtschaftlicher, wirkungsvoller bzw. effektiver, exklusiver und/oder daraus resultierend auch im Vergleich zu digitalen Medien nachhaltiger sind. Abgesehen von Druckprodukten, die ohnehin alternativlos sind. Die professionelle Nachhaltigkeit wird bei der Abwägung zwischen gedruckten und digitalen Medien zum kardinalen Faktor. Hier wird es sowohl auf die Produktspezifikationen ankommen als auch auf die nachhaltigen Faktoren der jeweiligen Produktionsstätten.

Print goes Digital

In den letzten Monaten entfachte exakt in diesem Kontext eine hoch emotionale Debatte darüber, welche Mediengattung im Marketing nachhaltiger und wirtschaftlicher ist: Print oder Digital? Die Frage ist aber ohne Einzelfallbetrachtung völlig sinnfrei.

Einige Konzerne haben (vor)eilig verkündet, sich ganz oder schrittweise von Print zu verabschieden – leider mit teils schwammigen Argumenten pro Umwelt. Es stimmte nur, dass die Energie- und Papierpreise empfindlich gestiegen sind. Ob der Peak jetzt erreicht ist, bleibt offen. Viele Medien haben diese Eigenwerbung 1:1 adaptiert. So schrieb das Magazin MEEDIA über Print:

„Jedenfalls sind sich die Marketer einigermaßen einig, dass Print nicht die Zukunft gehört.“

Eine Aussage, die, so allgemein formuliert, faktisch desinformativ war und an Rufschädigung grenzt. Prospekte, die hier vermutlich gemeint waren, bilden nur einen Bruchteil der Produkte ab, die die Druckbranche u. a. für Marketingzwecke herstellt – und selbst hier gilt es zwischen den unterschiedlichsten Produkten, Formaten, Periodika, Nachhaltigkeitsaspekten, Produktionsverfahren, Personalisierungstiefen und/oder dem Grad der Adressierung zu differenzieren.

Professionelle Redaktionen müssen solche Faktoren erfassen!

Große Handelsketten, die mehr Budget in digitale Channels umschichten, sind ganz sicher nicht über Nacht zu Umweltschutzorganisationen geworden.

Immerhin hat das Magazin MEEDIA, gut eine Woche, nachdem unser Fachbeitrag „Print geht mit, nur anders!“ veröffentlicht wurde, einen Beitrag zum Thema Print versus Digital nachgelegt, der sehr viel differenzierter formuliert und gut recherchiert ist.

Verbände und Organisationen in der grafischen Industrie haben gereizt reagiert. Die Rektionen waren richtig, aber nicht vollständig. Der Bundesverband Druck und Medien e. V. (bvdm) hat jüngst diverse Beiträge veröffentlicht, die mir besser gefielen. In einer Kampagne werden verschiedene Themen behandelt und Print ins richtige Licht gerückt, z. B. mit diesen Slogans:

Diese analytische Herangehensweise braucht es jetzt – und eine intensive Auseinandersetzung mit den wirklich gewichtigen Argumenten von großen Printbuyer:innen, etwa in Bezug auf neue Vertriebstechnologien und -wege.

Social-Mediakampagne des bvdm, mit kurzen aber prägnanten Informationen über den Nutzen von Print. Bild: Linked-in.

Die Druckbranche kommt nicht an der nachhaltigen und digitalen Transformation vorbei!

Digitale Transformation im Marketing

Große Handelsketten sprachen in ihren Pressemeldungen beim Thema Print oder Digital explizit auch die Vorteile der Digitalökonomie an – und gerade nicht nur gestiegene Papierpreise oder die Nachhaltigkeit. Wir finden präzise Eingänge auf die jeweiligen kundenzentrierten und iterativen Methodiken, das Design-Thinking beim Mobile Advertising. Dabei geht es zentral um das Sammeln relevanter Daten und um Nachvollziehbarkeit von Kundenverhalten. Es geht um Hyperrelevanz bei der Ausspielung von Werbung.

Relevanzbasierte Werbung bedingt die Personalisierung bzw. Hyperpersonalisierung von Print.

Die jüngsten Ankündigungen von REWE und Obi waren nach meiner festen Überzeugung seichte Vorboten. Ein Tsunami mit Ansage. Da sind Silodenken und die Verteidigung selbst solcher Printprodukte, die früher oder später mit Sicherheit so nicht mehr nachgefragt werden, keine zielführende Optionen. Die Zukunftsfrage ist, wie entsprechende Druckprodukte in diese neuen Omnichannels mit welchen Methoden und produkttechnischen Verfahren andocken können.

Adapt or Die?

Lassen wir aber die Kirche im Dorf: In diversen Berichterstattungen der letzten Monate wurde oft das gesamte Produktspektrum gedruckter Medien in Sippenhaft genommen, mit besonderem Fokus auf die Nachhaltigkeit. Generell stehen nur wenige Segmente bzw. Produkte derart krass auf dem Prüfstand wie derzeit die nicht personalisierten und unadressierten Massenwurfsendungen.

Entwirren statt verwirren: Viele Printprodukte stehen überhaupt gar nicht zur Disposition!

Die Superpower von Print

Selbst Massenwerbungen werden mit Sicherheit noch Jahrzehnte in reduzierten, aber immer noch großen Auflagen verteilt werden. Mehr und mehr intelligenter, personalisierter und volladressiert. Nachhaltig gedruckt werden sie eh schon meistens. Print kann mittlerweile so intelligent ausgesteuert werden wie digitale Medien – mit genau den Daten, die auch im digitalen Marketing verwendet werden, Stichwort Programmatic Printing.

Die Kreislauffähigkeit von Druckerzeugnissen ist in diesem Wettbewerb ein wesentliches Pro-Print-Merkmal bei der Ökobilanz.

Programmatic Advertising

Weiterführende Fachbeiträge auf UmDEX zum Thema:

Geodatenmarketing

Geodatenmarketing. Eine von vielen Formen personalisierter Drucksachen. Bildquelle: locr GmbH

Print ist nachhaltig

Print bleibt auch aus Sicht von Printbuyer:innen in vielen Szenarien also auch die umweltgerechtere Alternative, mit Blick auf seine Wirkung (multisensorische Fähigkeiten) und die jeweilige Nutzungsbestimmung. Eine wichtige Frage wird künftig sein, wie viele Werbeeinheiten (E-Mails, App-Hinweise bzw. -aufrufe, Druckexemplare etc.) vergleichsweise benötigt werden, um welche definierten Ziele zu erreichen.

Print ist häufig das bessere Geschäftsmodell

Wir sehen, dass viele gedruckte Medien im Trend liegen, etwa Independent-Magazine. So auch gebundene Werke wie Hardcoverbücher, die selbst für Digital Natives wie Influencer:innen häufig ein deutlich besseres Geschäftsmodell sind als alle Channels im digitalen Space zusammen. Diese Erkenntnis trifft auf die Tatsache, dass die Digitalisierung nicht mehr der supercoole, heißeste und neuste Shit, sondern ausgereift ist. Print hat sich hier also mehr oder weniger final bereits re-positioniert.

Quasi ein Print-Revival!

 

Print Cases, Beispiele

Print hat sich trotz ausgereifter Digitalökonomie in vielen Segmenten final positioniert. Nur einige Beispiele der jüngsten Zeit, allein von Druckereien der UmDEX-Klasse:

  • In dem Beitrag Blauer Engel auf Europatour beschreiben wir die Beweggründe der erfolgreichen Influencerin und Digital Native, Yvonne Pferrer, die trotz Millionen von Followern in den sozialen Medien bei einem ihrer zentralsten Projekte auf Print setzt.
Einzimmerfahrtwind

Reisedokumentation „Einzimmerfahrtwind“, herausgegeben von der Influencerin Yvonne Pferrer. Bild: Druckstudio Gruppe

  • Die Hauswirtschaftsmeisterin Sabine Krüger setzt bei ihrer Biografie, dem Ratgeber Ziegenluft und Küchenduft, trotz vieler Tausend Twitter-Follower auf Print: dem Gewicht der Botschaft wegen und aus betriebswirtschaftlichen Gründen.
  • Der Würzburger Berufsfotograf Mario Schmitt hat in der Zeit der Corona-Lockdowns sein bis heute wichtigstes Werk, ein multimediales Projekt LOCKDOWN veröffentlicht und erklärt, warum er Print hier ins Zentrum stellte.
  • Let me draw your Bath, ein veganes Buch, publiziert von der Künstlerin und Meisterschülerin Bianca Kennedy,
  • Curator Cult of snowboarding, ein extravagantes Buch über die Snowboarding-Szene,
  • Bernhard Reisers Schicki Micki-Kochbuch

Publikationen bzw. Independent-Magazine:

  • BROTPOST, mit Botschaften einer nachhaltigen Bäckerei,
  • 33% Das Waldmagazin,
  • MY ODENWALD, ein regionalfokussiertes Magazin,
  • Magazin #printproudmagz., herausgegeben von der digitalfokussierten Agentur Medienschiff Bruno,
  • NOW, ein Nachhaltigkeitsmagazin herausgegeben von der Otto-Group
  • amateur, ein Magazin im Megaformat, zum Eart Overshoot Day, herausgegeben von der Agentur pretty on point und so weiter.

 

Print ist oft alternativlos

Neben diesen Segmenten und den Flexibilisierungsmöglichkeiten beim datenbasierten Druck, nimmt Print z. B. für Verpackungen, Displays, Etiketten oder Plaketten etc. eine absolute Alleinstellung ein. Schon das Segment des Verpackungsdrucks ist ein Universum und umfasst unzählige Varianten und die vielschichtigsten Produktionsverfahren.

In einem Best Case-Fachbeitrag haben wir über ein nachhaltiges Verpackungsprojekt berichtet, bei dem luxuriöse Armbanduhren mit einem nachhaltigen Karton von Koehler Paper verpackt wurden. Vier Kreativagenturen haben, trotz restriktiver Vorgaben in puncto Umwelt- und Klimaschutz, sehr extravagante Verpackungslösungen vorgestellt.

Umweltfreundliche Verpackungen, Koehler Paper

Vier Entwürfe nachhaltiger Luxus-Verpackungen, für Armbanduhren der Marke Mühle Glashütte, größtenteils hergestellt aus den zertifiziert nachhaltigen Kartonen von Koehler Papier Greiz. Bild Koehler Paper.

Das viel beachtete Verpackungsprojekt wurde die Titelstory (Ausgabe 4-2022) des renommierten Marketingmagazins marke41. Beteiligt war die Druckerei Langebartels und Jürgens GmbH aus Hamburg, eine Druckerei der UmDEX-Klasse.

Die Druckstudio-Gruppe aus Düsseldorf, ebenfalls UmDEX-Klasse, hat mit dem Blauer-Engel-Spiel gezeigt, wie selbst komplexe Druckwerke, in diesem Fall mit 88 Einzelteilen, umweltgerecht produziert werden. Eine digitale Alternative zu diesem Spiel wäre ausgeschlossen gewesen.

Die Druckbranche hat sich längst neu positioniert und ist weiten Teilen viel fitter, als sie sich selbst verortet.

Generation Koexistenz

Die Transformation ist da. Auch die digitale. Dem Digitalen wird aber generell so eine diffuse, ja geradezu magische Zauberkraft zugesprochen. Manchmal ist das so. Oft jedoch wird diese Glorifizierung der bekannten Vorteile zu vorschnell generalisiert. Gerade auch bei der Bewertung der Nachhaltigkeit. Wir haben uns bereits mit dem Thema Print oder Digital beschäftigt.

Es gibt ihn, diesen Siegeszug der Digitalisierung, denken wir an die Bereiche:

  • Organisation und Verwaltung, z. B. digitale Datenerfassung anstelle von physischen Ablagesystemen. Oder an Management-, ERP- oder Messsysteme etc.
  • Einfache Kommunikation, z. B. E-Mails im Geschäftsverkehr, SMS, Chatten oder Posten etc. anstelle von klassischer Geschäftspost.
  • Persönliche Kommunikation, z. B. Videocalls oder Webinare, teils anstelle von Präsenzveranstaltungen und dann teils auch anstelle von Informationsunterlagen.

Doch konnten erfolgreiche Messen und Events nicht durch digitale Angebote substituiert werden. Diesbezügliche Versuche waren zumeist lächerlich. Eine Fülle gedruckter Medien konnte digital nicht substituiert werden. Ein Indiz, dass dies aufgrund der Reife digitaler Assets auch der vorläufige Endstand bleibt:

  • Gehobene Kommunikation und Verlagsprodukte, z. B. für Informationen oder Nachrichten über Blogs und News-Sites funktionieren zwar. Viele hochwertige Fachmagazine haben sich aber sehr bewusst auf Print fokussiert, mit eingepegelten Auflagen. Viele Independent-Magazine boomen. Wenn es wirklich darauf ankommt, wird Print als glaubwürdiger bewertet und ist aus Sicht der Publizist:innen oft das bessere Geschäftsmodell. Wenn Printmagazine nicht funktionieren, ist das häufig auch eine Frage des Contents.
  • Digitales Marketing, z. B. in digitalen Werbekanälen (Suchmaschinen- oder Bannerwerbung, Apps etc.) setzt sich, wie erwähnt, zwar gegenüber nicht adressierter und nicht personalisierter Massenwerbung allmählich durch. Jedoch sind die jeweiligen Funktionen und Wirkungen zwischen Apps und Print kaum direkt vergleichbar. Print triggert die Adressaten emotionaler als das Beeps auf den Smartphones vermögen, jedenfalls, solange da nicht auch ein Flaschengeist aus den Apparaten springt. Viele Prospekte entfalten auf zwei Seiten eine Fülle sofort sichtbarer Produkte und Angebote, nicht selten größer als ein stattlicher 32 Zoll-Bildschirm. Dagegen wirken Smartphone-Screens ziemlich mickrig. Hier wird es also diverse Medienbrücken zwischen den Gattungen geben: Sowohl als auch, statt entweder oder.
  • Und funktionale Onlineshops oder auch generell Websites von Unternehmen, sind keine klassischen Kontrahenten zum Print.

In der Werbung ist Print antastbar – und bleibt im Wettbewerb mit anderen Mediengattungen deshalb mit Sicherheit häufig unantastbar!

 

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Jürgen Zietlow

Jürgen Zietlow

Umweltjournalist, Spezialist für nachhaltige Kommunikation. Lobbyist für die Nachhaltige Transformation

Fachjournalist, Umwelt-Lobbyist | 2005 bis 2017 Chefredakteur Magazin MEDIEN | seit 2010 Analyst für nachhaltige Kommunikation, Social Monitoring/Media | Entwickler LineCore-Methode® (Recherche-/ Redaktionssystem).

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Klimapositivität
​Klimaneutral war gestern, denn der Zeitpunkt an dem sich der Klimawandel verselbständigt, wird schon bald erreicht sein. Die Erderwärmung wird erst dann wieder zum Stillstand kommen, wenn es gelingt, das Gleichgewicht zwischen Ausstoß und Senkung von Treibhausgasen nicht nur zu neutralisieren, sondern ins Positive zu wandeln. Klimapositivität ist daher das Gebot der Stunde,

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