Papier aus illegalem Holzeinschlag
Den Tätern auf der Spur

Jeder fünfte weltweit gefällte Baum wird zu Papier verarbeitet. Der WWF schätzt dabei den Anteil des illegal geschlagenen Holzes auf 30 Prozent. Ob Amazonasgebiet, Indonesien, die subpolaren Regenwaldregionen Chiles, die Urwälder Mexikos, Guatemalas, Afrikas oder der Ferne Osten Russlands: In über 70 Ländern plündern kriminelle Holzfäller die Wälder. Mit Korruption und Mord setzt die Holzmafia ihre Interessen durch und sichert sich neben Drogen- und Menschenhandel ihr drittstärkstes Handelgeschäft.

Holzarchiv des Thünen Instituts, das größte Holzarchiv weltweit : Bild Tühnen Institut

Am Morgen des 15. Januar 2017 wurde der mexikanische Umweltaktivist und Goldman-Preisträger Isidro Baldenegro López im Haus seiner Verwandten von einem gedungenen Killer durch mehrere Kugeln in die Brust und einen finalen Schuss in den Kopf hingerichtet. Die Mafia hatte ihn schon seit langem auf ihre Todesliste gesetzt. Doch diesmal waren weder die Drogenbosse des Sinaloa-Kartells noch die Menschenhändler der brutalen Zeta-Clans an seiner Ermordung beteiligt. Er wurde hingerichtet, weil er sich erfolgreich gegen die Abholzung der Urwälder in seiner Heimat, der Sierra Madre Occidental im Bundesstaat Chihuahua, zur Wehr gesetzt hatte. Die Auftraggeber seines Mörders waren die mexikanischen Vertreter international agierender Mafiaorganisationen, die durch seine Aktionen ihre Multi-Milliarden-Dollar-Geschäfte mit illegalem Holzeinschlag bedroht sahen. Isidro Baldenegro López‘ Hinrichtung war jedoch kein krasser Einzelfall.

Isidro Baldenergo López – von der Holzmafia ermordet Bild: Goldman Environmental Foundation

Laut eines Berichts von Global Witness wurden im gleichen Jahr weitere 197 Umweltaktivistinnen und Umweltaktivisten ermordet, weil sie kriminellen Regierungen, Unternehmen und Umweltzerstörern bei ihren illegalen Geschäften in die Quere kamen.

Einem Bericht von UNEP und Interpol zufolge beträgt das Handelsvolumen aus Illegalen Waldrodungen, illegaler Papierproduktion und illegaler Zellstoffgewinnung etwa 30 bis 100 Milliarden Dollar jährlich. Damit liegen die Gewinne aus dem Handel mit geschützten Hölzern und den daraus erzeugten Produkten – nach den Geschäften mit Drogen und gefälschten Markenprodukten – auf dem dritten Platz der international organisierten Kriminalität.

Die gängige Praxis der Holzmafia…

Der illegale Holzschlag hat verheerende Konsequenzen. Mit der Waldvernichtung verlieren unzählige Tiere, Pflanzen und Naturvölker für immer ihren Lebensraum, ganz zu schweigen von den irreversiblen Auswirkungen auf das globale Klima. Annähernd 80 Prozent der einstigen Urwälder der Erde sind bereits zerstört. Illegaler Holzschlag findet statt indem man Waldflächen über genehmigte Gebiete hinaus rodet oder überfallartig in Schutzgebiete eindringt. Von den aktuell noch verbliebenen Urwäldern sind dadurch rund 40 Prozent akut bedroht. Die Machenschaften der Holzmafia werden gedeckt durch korrupte Regierungen und Unternehmen. Gefälschte Zolldokumente, unzulässige Exporte oder Gebührenhinterziehung sind gängige Praxis, nicht nur in den Ländern der Dritten Welt sondern auch in Europa. Doch diese illegalen Praktiken aufzudecken, ist schwierig. Weltweit verzweigte Handelswege erleichtern es der international organisierten Kriminalität, die Spuren ihrer kriminellen Machenschaften zu verwischen, solange Regierungen, Unternehmen und Investoren keine nachhaltigen Reglementierungen für die Nutzung ihrer Böden, ihrer Wälder und sonstiger natürlicher Ressourcen treffen.

… und was das Thünen Institut dagegen tun kann

Als Beitrag zum globalen Waldschutz müssen seit Beginn des Jahres 2013 die Importeure von Holz, Holzmöbeln, Papierprodukten, Papier und Zellstoff, gemäß der EU-Holzhandelsverordnung EUTR, nachweisen, dass ihre in die EU eingeführten Waren legalen Ursprungs sind. Laut dieser Verordnung sind besondere Sorgfaltspflichten vorgeschrieben, wie etwa die lückenlose Dokumentation aller Quellen des gesamten Handelswegs.

Thünen Institut in Hamburg Bergedorf, Bild: Thünen Institut

In Hamburg-Bergedorf, am dort beheimateten Thünen Institut für Holzforschung, arbeitet seit einigen Jahren eine Crew engagierter Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler an einer neuen Methode, die es zukünftig erleichtern wird, kriminellen Holzhändlern das Handwerk zu legen. Mit dieser Methode ist das Institut nun in der Lage, bei Holz- und Papierproben zweifelsfrei die Gattung und Art zu bestimmen und somit für eine zunehmende Anzahl von Baumarten die Angaben zur geographischen Herkunft des Holzes zu überprüfen. Treten bei Kontrollen Zweifel an der richtigen Deklaration der Hölzer auf oder besteht der Verdacht, dass geschützte Holzarten gehandelt werden, stellt das Thünen-Kompetenzzentrum Holzherkünfte seine Expertise den jeweiligen Behörden zur Verfügung. Um Genaueres über diese neue Methode zu erfahren, mache ich mich auf nach Hamburg und verabrede mich mit Frau Dr. Andrea Olbrich, die dieses Projekt betreut. Das Institut liegt in einem weitläufigen Park, dicht mit hohen Bäumen und ausladenden Sträuchern bewachsen, wunderbar passend zum wissenschaftlichen Auftrag der Einrichtung.

Holzmuster des Archivs, Bild: Thünen Institut

Als erstes führt mich Frau Dr. Olbrich in die Xylothek – eines der umfangreichsten Holzarchive weltweit. Uns empfängt ein großer in warmen Brauntönen oszillierender Raum, an allen Wänden Regale bis unter die Decke, darin unzählige Holzproben, jede sauber beschriftet mit Gattung, Art und geographischer Herkunft des jeweiligen Baumes. Das Archiv des Instituts ist zentrale Anlaufstelle für Behörden, Holzhandel, Verbraucher und Verbände bei Fragen zur Art und Herkunft von Holz und Holzprodukten. Es wird ständig vervollständigt, um der national und international führenden Stellung im Holzartennachweis gerecht zu werden. Dazu dient auch die Weiterentwicklung computergestützter Datenbanken und Erstellung eines „Faseratlas“ zur Erkennung tropischer Hölzer in Zellstoffen und Papieren. Die Experten des Thünen-Instituts kooperieren dabei auch international mit den entsprechenden wissenschaftlichen Einrichtungen und bilden Partner in den jeweiligen Ländern aus, um diese in die Lage zu versetzen, vor Ort präzise Informationen zu den gehandelten Sortimenten, ihrer Herkunft, ihrer Legalität und ihres nachhaltigen Einschlags bereitzustellen.

Präzisions.Holzschneidemaschine, Bild: Thünen Institut

Die nächste Station ist das Labor des Instituts. An einem Arbeitsplatz wird gerade ein winziges Stück Holz für die Untersuchung vorbereitet. Auf einer schweren gusseisernen Präzisionsschneidemaschine wird eine Holzfaser von 2 µm Stärke abgeschnitten und auf einem gläsernen Objektträger platziert. Unter dem Lichtmikroskop sind nun die einzelnen Zellen der Faser exakt zu erkennen. Sie werden anschließend mit Zellproben archivierter Holz-Referenzen verglichen. Die exakte Bestimmung des Holzes anhand der Zellen setzt nicht nur akribische Arbeit sondern ebenso eine langjährige Erfahrung der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter voraus.

Papierfaser im Lichtmikroskop, Bild: Thünen Institut

Frau Dr. Olbrich führt mich nun zu einem weiteren Arbeitsplatz. Ich darf neben ihr Platz nehmen und sie zeigt mir ein zu untersuchendes Stück Karton. Es ist eine Probe aus einer in China produzierten Präsentationsmappe. Der Händler, der sie in Europa verkaufen will, möchte wissen, ob diese Mappe tatsächlich, wie vom Hersteller behauptet wird, aus 100 Prozent Recyclingmaterial besteht. Der Karton setzt sich aus einem grauen Trägermaterial und einer aufkaschierten sehr weißen Papierschicht zusammen. Frau Dr. Olbrich seziert den Karton in die beiden Bestandteile. Das graue Material ist schnell bestimmt. Unter dem Lichtmikroskop erkennt man eindeutig die für Recyclingpapier typischen gebrochenen Fasern mit Einschlüssen von Farbpartikeln. Das aufkaschierte Material ist dagegen nicht so leicht zu definieren. Die Zellstruktur ist rein weiß. An der Oberfläche haften geringe Spuren von Farbpartikeln an, die Merkmale des Abscheuerns der Farbe beim Druck– oder Weiterverarbeitungsprozess sein können. Möglicherweise besteht dieses Recyclingpapier aus reinweißen Papierabfällen. Um dies aber eindeutig zu verifizieren, sind vorerst noch weitere Untersuchungen notwendig. Für mich ist hier jedoch die detektivische Spurensuche vorbei.

Interview mit Frau Dr. Olbrich

Frau Dr. Andrea Olbrich, Bild: Thünen Institut

Am Ende dieser interessanten und äußerst aufschlussreichen Führung nehmen wir im gemütlichen Aufenthaltsraum der Abteilung Platz. Kaffee wird gekocht, Gebäck gereicht, und mir brennen unter dem Eindruck des in den letzten beiden Stunden Erfahrenen viele drängende Fragen auf der Zunge. Ein Interview wäre jetzt wohl der richtige Ausklang für diesen erlebnisreichen Vormittag. Und Frau Dr. Olbrich verzichtet dafür freundlicherweise bereitwillig auf ihre Mittagspause.

Guido Rochus Schmidt: Frau Dr. Olbrich, bitte erzählen Sie uns doch, was den Ausschlag für diese Studie gegeben hat.

Dr. Andrea Olbrich: Ausschlaggebend waren die alarmierenden Meldungen von NGOs wie Greenpeace und dem WWF, dass in Indonesien Papiermühlen existieren, die ihre Kapazität eigentlich nicht aus den umliegenden Holzplantagen decken können. Daher lag der Verdacht nahe, dass dort Papier aus Holz von Primärwäldern produziert wird. Von einem Greenpeace-Mitarbeiter bekamen wir dann Material zugeschickt, das dieser unter Lebensgefahr in der Papiermühle gesammelt hat. Es waren Holzchips, die zur Verarbeitung bereit lagen. Wir haben sie analysiert und konnten eindeutig nachweisen, dass darin ein nach dem Washingtoner  Artenschutzabkommen CITES1 geschütztes Holz namens Ramin enthalten war.

Diese Gattung wächst in Wäldern, die einen sehr hohen ökologischen Wert haben, weil sie z.B. Orang Utans als Habitat dienen. Ein CITES geschütztes Holz darf – wenn überhaupt – nur unter ganz strengen Auflagen gehandelt werden. Unsere Ergebnisse wurden von Greenpeace benutzt, um Firmen, die ihre Verpackungen aus dem Papier dieser Mühle herstellen, damit zu konfrontieren. Die Firmen reagierten darauf mit dem Hinweis, diese Papiermühle gehöre zu einem großen Unternehmen, das auch anderswo Zellstoff produziert. Es wurde somit notwendig, dass weitere asiatische Hölzer – wie dieses nach den CITES-Richtlinien geschützte Holz – durch Referenzen nachweisbar sein müssen, bis hin zum Endprodukt aus Papier.

Guido Rochus Schmidt: Wie funktioniert die von Ihnen erprobte und entwickelte Methode? 

Dr. Andrea Olbrich: Die Methode der Identifizierung von Hölzern im Papier über die anatomischen Merkmale der Holzzellen des Papiers war bekannt. Dafür lösen wir das Papier auf, färben das Material an und präparieren es auf mikroskopische Objektträger. Unterm Lichtmikroskop untersuchen wir Zelle für Zelle. Für Laub- und Nadelhölzer interessiert uns jeweils ein bestimmter Zelltyp, an dem wir die meisten Merkmale erkennen können. Wir vergleichen diese Zellen mit den entsprechenden Zellen unserer Referenzen. Es fehlten jedoch die entsprechend untersuchten und dokumentierten Referenzen für die asiatischen Hölzer. Für die relevantesten unter ihnen haben wir nun Muster vereinzelter Zellen hergestellt, wie sie auch bei der Papierproduktion entstehen. Diesen Vorgang nennt man Mazeration2. Die mazerierten Zellen und ihre Erkennungsmerkmale haben wir untersucht und aufwendig in einem wissenschaftlichen Journal als Referenzen veröffentlicht. Sie können nun weltweit von allen Prüflabors genutzt werden.

Zusätzlich dazu entwickeln unsere Kooperationspartner von der Universität Hamburg gerade eine ganz neue und von der Anatomie unabhängige Methode zur Bestimmung von Holzarten im Papier auf Basis der Chemotaxonomie3. Mit dieser Methode versucht man, die wenigen noch enthaltenen Extraktstoffe chromatografisch4 aufzulösen, um dann Markerpeaks zu finden, die darüber Aufschluss geben, ob in einer unbekannten Papierprobe etwa eine CITES geschützte Holzart verwendet wurde. Es wäre von großem Vorteil, wenn man Proben, die nach den Ergebnissen der anatomischen Untersuchung Zellen enthalten, die denen einer CITES geschützten Gattung entsprechen, mit einer zweiten völlig unabhängigen Methoden untersuchen könnte.

Guido Rochus Schmidt: In wieweit ist denn die Methode der Chemotaxonomie schon einsatzbereit?

Dr. Andrea Olbrich: Die Methode ist in der Entwicklung.

Guido Rochus Schmidt: Sie sagen, dass das Projekt die Umsetzung der EUTR unterstützt. Wie sieht das konkret aus?

Dr. Andrea Olbrich: Von Marktteilnehmern, die erstmals Holz oder Holzprodukte im EU-Markt in Verkehr bringen, verlangt die EUTR im Rahmen der Sorgfaltspflicht, dass ausschließlich solche Produkte gehandelt werden, die glaubhaft aus legalen Quellen stammen. Dafür müssen die enthaltenen Holzarten und deren Herkunft genau dokumentiert sein. Wir bekommen von den Behörden Prüfmuster zugeschickt, die bei den Firmen zur Überprüfung der Einhaltung der EUTR-Vorgaben  gezogen werden. Wir unterstützen damit konkret die Überprüfung der Angaben zu den Holzarten. Die meisten Proben, die wir erhalten, bekommen wir jedoch nicht von Behörden sondern von Handelsunternehmen, die ihre Lieferanten überprüfen wollen. Etwa 80% der Untersuchungen, die wir machen, betreffen solche – wie wir sie nennen -freiwilligen Selbstkontrollen. Die Motivation der Handelsunternehmen Kontrollen in Auftrag zu geben ist durch die EUTR deutlich gestiegen.

Guido Rochus Schmidt: Die Behörden, die Sie ansprechen, sind also Zollbehörden?

Dr. Andrea Olbrich: Der Zoll kontrolliert, ob möglicherweise Holzarten eingeführt werden, die nach den CITES-Richtlinien geschützt sind. Bei einem Verdachtsfall bekommen auch wir diese Produkte. Die Überprüfung der EUTR-Vorgaben wird dagegen von der Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung beauftragt.

GS: Bei EUTR sind, laut Kapitel 49 der Verordnung, gedruckte Bücher, Zeitungen, Bilddrucke und andere Erzeugnisse der Druckindustrie, ebenso Manuskripte etc. ausgeschlossen. Laut einer Untersuchung des WWF wurden bei 48% der Stichproben vornehmlich in Asien gedruckter Bücher Tropenholzanteile festgestellt. Könnten diese Fertigprodukte mit Ihrer Methode ebenfalls untersucht werden?

Dr. Andrea Olbrich: Ja, für uns ist es unerheblich, ob wir Zellstoff, Papier oder aus Papier hergestellte Produkte untersuchen. Die besondere Herausforderung beim Papier liegt zum einen darin, dass das Holz bei der Zellstoffkochung zu einzelnen Zellen zerfällt. Dadurch gehen sehr viele Merkmale, die ausschließlich am gewachsenen Gewebe zu erkennen sind, verloren.

Zudem besteht eine unbekannte Papierprobe in der Regel aus einer Mischung von mindestens zwei verschiedenen Zellstoffen, die aus den unterschiedlichsten Quellen stammen können. Diese Zellstoffe wurden zudem aus unterschiedlichen Holzarten hergestellt. Im Endeffekt haben wir dann nur noch Einzelzellen aus einer Mischung von nicht selten bis zu acht verschiedenen Hölzern.

Guido Rochus Schmidt: Welche Verfahren zur Bestimmung tropischer Holzarten in Papier gab es denn bisher schon?

Dr. Andrea Olbrich In der Vergangenheit wurden die Holzarten ebenfalls über die Anatomie der Zellen bestimmt. Traditionell hatte man dafür die Referenzen für Hölzer, die in Nordamerika und Europa zur Zellstoffproduktion verwendet wurden. Enthielt ein Papier Tropenhölzer, konnte man in der Vergangenheit nur feststellen, dass weitere Gattungen zu sehen waren, die aber nicht weiter bestimmt werden konnten.

Guido Rochus Schmidt: Welche Anforderungen an die von Ihnen entwickelte Methode gab es?

Dr. Andrea Olbrich Im Zuge der Globalisierung verschieben sich die Handelsmärkte in zunehmendem Maße in Richtung Asien. Daher sind mittlerweile auch mannigfache asiatische Hölzer im Handel. Für diese Holzarten fehlten in der Vergangenheit jedoch die für die Bestimmung im Papier notwendigen Referenzen. Ein erstes Ziel war die Referenzen für Holzarten aus sensiblen Habitaten aufzubauen. Aber auch Referenzen tropischer Arten, die beispielsweise in Plantagen legal angebaut werden, sind für die Überprüfung der EUTR unerlässlich.

Guido Rochus Schmidt: Offenbar gibt es bisher 40 Referenzen von tropischen Hölzern die zu Zellstoff verarbeitet werden. Ist diese Referenzsammlung ausreichend oder benötigt man noch weitere Referenzen?

Dr. Andrea Olbrich: Ja, wir benötigen im Grunde noch mehr Referenzen. Die Deutsche Bundesstiftung Umwelt finanziert deshalb unser Forschungsvorhaben in der dritten Projektphase.

GS: Wie hoch muss der Anteil von Tropenholz im Papier sein, damit es festgestellt und bestimmt werden kann?

Dr. Andrea Olbrich: Wir untersuchen bei einer Probe immer mehrere Objektträger vom Material. Grob gesagt begutachten wir etwa 1.000 bis 1.400 Zellen pro Probe. Dabei geht es darum, genügend Zellen zu finden, die mit Hilfe unserer Referenzen ausgewertet werden können. Von den Hölzern, die in größeren Mengen verarbeitet wurden, werden genügend Zellen gefunden, die eindeutig zu bestimmen sind. Ist ein Holz jedoch nur in sehr geringen Konzentrationen enthalten, wird dies schwieriger. Eine einheitliche Nachweisgrenze lässt sich leider nicht bestimmen, da die Holzarten im Verhältnis zum Gewicht unterschiedlich viele einzelne Zellen des für uns bestimmbaren Zelltyps ausbilden. Zudem müssen wir auch etwaige Verunreinigungen des Materials einberechnen. Wir haben jedoch bestimmte interne Standards, wie viele gut erhaltene Zellen wir sehen müssen, damit wir eine definitive Aussage machen können.

Guido Rochus Schmidt: Die mafiösen Strukturen des illegalen Holzschlags und -handels sind ja durch FLEGT6 und EUTR nicht verschwunden. Wie könnte denn in der Praxis die Kontrolle bei der Einfuhr von Papier, Zellulose und Faserstoffen mit Hilfe der von Ihnen entwickelten Methode funktionieren?

Dr. Andrea Olbrich: Grundsätzlich kann man sagen: Wenn die Sorgfaltsplicht der EUTR befolgt wird, schließt man große Bereiche des Missbrauchs aus. Denn bei der Einhaltung der Sorgfaltspflicht muss ja schon hinterfragt werden, woher der verwendete Rohstoff kommt. Das ist in der Papierbranche leider keine triviale Aufgabe, einfach weil Papier oft einen unheimlich langen Handelsweg hinter sich hat. Der Handelsweg ist leichter überschaubar, wenn beispielsweise ein deutsches Papierwerk aus Brasilien Zellstoff bezieht. Dann gibt es einen Produzenten und einen Käufer, der Handelsweg ist relativ kurz. Die Kontrollen solcher Proben bestätigen meistens, dass die Angaben alle stimmen.

Kompliziert wird es, wenn wir ein fertiges Druckprodukt, etwa produziert in Asien, untersuchen. Das besteht in der Regel aus vier bis fünf verschiedenen Papieren und die wiederum aus verschiedenen Zellstoffen, die weltweit irgendwo eingekauft wurden. Oft wechseln in diesen langen unübersichtlichen Handelsketten zudem die jeweiligen Papier- oder Zellstofflieferanten. Dass am Ende der Produzent des Endprodukts über die eingesetzten Zellstoffe und Holzarten korrekte Angaben macht, ist bis heute leider selten der Fall. Letztendlich ist jedoch der Händler, der dieses Produkt erstmals in der EU in Umlauf bringt, verpflichtet, sauber zu dokumentieren aus welchen Quellen es stammt. Wenn wir also feststellen, dass einer der Stoffe falsch deklariert ist, muss man annehmen, dass die ganze Dokumentationskette nicht stimmt.

Guido Rochus Schmidt: Der Händler muss freiwillig zu Ihnen kommen, um das überprüfen zu lassen?

Dr. Andrea Olbrich: Nicht unbedingt. Der Händler kann möglicherweise von der Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung überprüft worden sein. Von dort kommen dann die Prüfmuster zu uns. Aber natürlich hat der Händler selbst auch die Möglichkeit, die Proben direkt zu uns zu schicken.

Guido Rochus Schmidt: Noch immer werden jährlich Millionen Tonnen unabsichtlich oder absichtlich falsch deklarierter Papiere und Zellstoffe in die EU eingeführt, die hier dann verarbeitet und verkauft werden. Welche Möglichkeiten der Einflussnahme sehen Sie denn – neben staatlichen Stellen und Behörden – für Händler und Druckereien, um dies zu minimieren oder zu verhindern?

Dr. Andrea Olbrich: Die EUTR verlangt, dass Hölzer und Zellstoffe aus legalen Quellen stammen müssen. Wenn man also einen höheren Anspruch an die eigene Verantwortung stellt, dann sollte man für die Produktion nur zertifiziertes Material verwenden, das zudem nach bestimmten Nachhaltigkeitskriterien gewonnen wurde, etwa FSC-Papier oder besser noch zertifiziertes Recyclingmaterial, das aus ökologischer Sicht noch weitaus sinnvoller ist. Grundsätzlich aber muss – schon wegen der extrem unübersichtlichen Handelswege, die Papiere und Zellstoffe durchlaufen – von der Industrie ausdrücklich verlangt werden, dass die korrekte lückenlose Dokumentation ihrer Quellen und Handelswege penibel umgesetzt wird.

Guido Rochus Schmidt: Vielen Dank, Frau Dr. Olbrich, für dieses informative Interview!

Dr. Andrea Olbrich: Ich danke Ihnen für Ihr redaktionelles Interesse!

Glossar

 CITES Convention on International Trade in Endangered Species of Wild Fauna and Flora Dieses Übereinkommen über den internationalen Handel mit gefährdeten frei lebenden Tieren und Pflanzen wurde bereits 1973 angesichts des dramatischen Rückgangs vieler Arten durch Wilderei und Handel geschlossen. Deutschland gehört zu den Erstunterzeichnern, übrigens auch als erster EU-Staat. International trat CITES 1975 in Kraft. Bereits ein Jahr später wurden die Bestimmungen in Deutschland umgesetzt. Inzwischen gehören dem Übereinkommen weltweit 181 Vertragsparteien an, also mehr als 85 Prozent aller Staaten der Welt.

Mazeration Mazeration ist die Aufweichung von tierischen oder pflanzlichen Geweben. Bei Holz wird der Gewebeverbund aufgelöst, bis alle Zellen einzeln vorliegen.

Chemotaxonomie Chemotaxonomie ist eine in der Regel hierarchische Klassifizierung von Organismen auf Basis ihrer biochemischen Zusammensetzung.

Chromatografisch Chromatografie ist ein Verfahren in der chemischen Analytik, um Stoffgemische zwecks Identifizierung oder mengenmäßiger Bestimmung in möglichst einheitliche Inhaltsstoffe aufzutrennen.

EUTR  European Timber Regulation EUTR Nach Artikel 10 der Verordnung (EU) Nr. 995/2010 (EUTR) wurde EUTR im Jahr 2013 von der EU implementiert, um den Handel mit illegal geschlagenem Holz in der EU zu unterbinden. Die für die Umsetzung zuständige Behörde ist das Bundesministerium für Landwirtschaft und Ernährung.

FLEGT Forest Law Enforcement, Governance and Trade FLEGT ist ein 2003 von der EU aufgelegter Aktionsplan nach dem sich Erzeugerländer im Rahmen von geschlossenen Partnerschaftsabkommen zur Einrichtung eines Kontrollsystems verpflichten, um die Legalität der ausgeführten Holzprodukte zu gewährleisten. Wenn die Kontrollsysteme in den Partnerländern implementiert sind, dürfen Holzlieferungen aus diesen Ländern mit einer FLEGT-Genehmigung in die EU eingeführt werden.

Quellen zum Weiterlesen

www.thuenen.de/de/hf

WWF Deutschland, Heiße Ware Tropenholz, FFM, 2005

WWF Deutschland, Illegaler Holzeinschlag und Deutschland, FFM, Stand 2008

www.wwf.de/2015/april/schmutziger-papierhandel

www.globalwitness.org/en/blog/new-data-reveals-197-land-and-environmental-defenders-murdered-2017

www.sueddeutsche.de/wissen/zerstoerung-des-regenwalds-holzschmuggel-1.2865747

www.dandc.eu/de/article/studie-ueber-illegale-waldzerstoerung-von-unep-und-interpol

Schmutziger Papierhandel – WWF Deutschland

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Guido Rochus Schmidt

Guido Rochus Schmidt

Autor, Redakteur, Experte für die Nachhaltige Medienproduktion, Lobbyist für die Nachhaltige Transformation

Guido Rochus Schmidt war von 1979 bis 2013 Geschäftsführer der Ulenspiegel Druck GmbH, einer der bis heute ökologischsten Druckereien Europas, seit 1999 mit EMAS zertifiziert. Als Umweltexperte betreute er von 1999 bis 2017 die ökologische Fortentwicklung des Unternehmens. Seit 2017 berät der Experte Unternehmen bei allen Fragen der Nachhaltigen Medienproduktion.

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Klimapositivität
​Klimaneutral war gestern, denn der Zeitpunkt an dem sich der Klimawandel verselbständigt, wird schon bald erreicht sein. Die Erderwärmung wird erst dann wieder zum Stillstand kommen, wenn es gelingt, das Gleichgewicht zwischen Ausstoß und Senkung von Treibhausgasen nicht nur zu neutralisieren, sondern ins Positive zu wandeln. Klimapositivität ist daher das Gebot der Stunde,

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