Ökologische Aspekte bei Druckfarben
Die Purpurschnecke packt aus

Kein Druckfarbenhersteller und kaum eine Druckerei, die heute nicht mit Ökofarben wirbt. Drucken wird immer umweltfreundlicher – das ist die Botschaft. Aber was ist wirklich dran? Und was ist drin in den Farben?

Purpurschnecken, Bild: Magazin Medien

Warum schlagen Experten seit Jahren Alarm wegen Mineralölrückständen in Lebensmitteln? Warum diskutiert der Deutsche Bundestag so ausführlich über gesundheits-schädliche (weil krebserregende Mineralölpartikel), die aus Druckfarben und Lebensmittelverpackungen in unser Essen gelangen? Oder was soll man davon halten, dass mineralölfreie Öko-Druckfarben teilweise aus Ölen gentechnisch veränderter Pflanzen bestehen?

Gibt es dazu überhaupt Alternativen?

Neben den vielen tatsächlichen ökologischen Verbesserungen im Druckprozess kursieren leider immer noch genügend Fehlinformationen, die dann oft genug von gewissen Influencern benutzt werden, die Herstellung analoger Medien in ihrer Gesamtheit zu brandmarken. Gerne führt man dazu die angeblich so umweltfreundlichen digitalen Medien als Alternativen an, ohne dabei deren schädliche ökologische Auswirkungen auf das Klima ernsthaft zu hinterfragen. Ideologie statt sachliche Auseinandersetzung gilt heutzutage als probates Mittel, um einen verantwortlichen und sachlichen Dialog zu verhindern. Wir haben nun einige Fakten zum Thema zusammengetragen, um Transparenz zu schaffen.

Wie ökologisch sind also die sogenannten Öko-Druckfarben?

Generell dürfen alle Druckfarben und Lacke für den Offsetdruck weder giftig, mindergiftig, reizend noch kanzerogen sein. Konventionelle Druckfarben und Öko-Druckfarben unterscheiden sich im Anteil der verwendeten Bindemittel. Herkömmliche Druckfarben bestehen zu etwa 30 Prozent aus Bindemitteln aus nachwachenden Rohstoffen, wie etwa Leinöl oder Sojaöl – bei der Öko-Druckfarbe jedoch das gesamte Bindemittel.

Bunt und farbenfroh, Bild von Alexandr Ivanov auf Pixabay.

Zu etwa 20 – 30 Prozent werden in beiden Farbsystemen natürliche Harze wie Kolophonium oder synthetische Alkydharze verwendet. Die restlichen 10 – 30 Prozent einer Farbe sind organische Pigmente, die aus nicht erneuerbaren Ressourcen hergestellt werden, d.h. es sind chemische Produkte aus Mineralöl. Hierin unterscheiden sich konventionelle und Öko-Druckfarben nicht, da zurzeit leider keine natürlichen Pigmente mit vergleichbaren technischen Druckeigenschaften verfügbar sind.

Benzol als Ausgangsstoff der Pigmente

Ein wichtiger Baustein der petrochemischen Industrie ist Benzol, ein flüssiger giftiger Kohlenwasserstoff, der im Mineralöl enthalten ist. Der globale Bedarf lag 2013 bei über 40 Millionen Tonnen pro Jahr. Seine durch chemische Prozesse entstandenen Derivate (das sind Ableitungen aus der Grundsubstanz) werden zu vielfältigen Produkten weiterverarbeitet, unter anderem zu Pigmenten für Druckfarben. Diese Derivate enthalten laut Farbenindustrie keine originären chemischen Benzolverbindungen mehr, sind also per definitionem mineralölfrei. Die Druckfarbenindustrie gibt jedoch keine Auskunft darüber, wie viel Mineralöl bzw. Benzol mengenmäßig benötigt wird, um einen Pigmentanteil von 10 – 30 Prozent pro Kilo Farbe herzustellen.

Nachwachsende Öle als Ausgangsstoffe für Bindemittel in Druckfarben

Bei der Verwendung von Öko-Druckfarben wird gegenüber konventionellen Farben der Mineralölanteil des Bindemittels durch Lein- oder Sojaöl ersetzt. Allerdings wird dieses Öl zu einem nicht unerheblichen Teil aus gentechnisch verändertem Saatgut gewonnen. Etwa 52 Prozent der weltweiten Sojaernte stammen aus Südamerika. Vor allem in Argentinien und Brasilien wurden und werden für den Anbau große Flächen des tropischen Regenwaldes abgeholzt und urbar gemacht.

In Argentinien wurden im Jahr 2010 auf 24 Millionen Hektar des gerodeten Regenwaldes zum größten Teil gentechnisch veränderte Sojabohnen angebaut, Tendenz steigend. Im Jahr 2018 lag der dadurch notwendige Pestizideinsatz allein in Argentinien bei 300 Millionen Litern. Auf Nachfrage, warum nicht natürliches Sojaöl zur Bindemittelherstellung eingesetzt wird, erklärten die Farbenhersteller, dass es auf Grund der unübersichtlichen Handelsstrukturen kaum möglich sei, ausschließlich gentechnikfreie Öle einzukaufen.

Natürliche Pigmente – eine kleine Historie der Farbenherstellung

Die Purpurschnecke hat leider keine Lobby

Purpur, das intensiv leuchtende Violett, war in Rom und später bei den deutschen Kaisern ein Symbol der Macht. Heute ist Purpur die teuerste Farbe, die es gibt. Ein Kilogramm des natürlichen Farbstoffs kostet den stolzen Preis von über zwei Millionen Euro. Der Farbstoff wird aus der Drüse einer Schnecke gewonnen. Um 1,5 g des Farbstoffs zu erhalten, müssen 12.000 Schnecken der Art Bolinus Brandaris, der so genannten Herkuleskeule, ihr Leben lassen.

Purpurschnecke Bolinus Brandaris, Bild Magazin Medien

Im Altertum wurden die Schnecken zwischen Herbst und Frühjahr gefangen, die noch lebenden Tiere geöffnet, die farbhaltige Drüse entfernt und drei Tage in Salz eingelegt. Anschließend wurde die Masse gereinigt und durch Kochen in Urin auf ein Sechzehntel der ursprünglichen Menge eingedickt. Der gefärbte Stoff musste während des Trocknens dem Licht ausgesetzt werden, damit durch eine Enzymreaktion die ursprüngliche schwachgelbliche Färbung in den gewünschten Purpurton umschlug.

Am Blauen Montag wurde auch früher schon Blau gemacht

Indigo, der tiefblaue Farbstoff ist im Farbraum der letzte erkennbare Blauton, bevor er ins Violett übergeht. Indigo wurde aus der indischen Indigopflanze oder dem bereits in der Antike in Europa eingebürgerten Färberwaid gewonnen. Noch im Mittelalter kannte man außer Indigo keinen anderen blauen Farbstoff. Vom 12. bis zum 17. Jahrhundert wurde Färberwaid in Thüringen angebaut. Der aus dem Waid gewonnene Brei wurde getrocknet und von den Färbern je nach Bedarf mit dem eigenen Urin vergoren. Ein besonders tiefes Blau ergab sich, wenn man nach gehörigem Alkoholkonsum in den Brei urinierte.

Blauer Montag beim Praterheurigen, Josef Lanzedelli 1810, Sammlung Wien Museum

Diese Entdeckung führte dazu, dass die Färber bevorzugt am Sonntag soffen, damit sie am Montag ein intensives schönes „Blau machen“ konnten. Wer allerdings heute am Sonntagabend „Blau ist«“ und in der Folge am Montag „Blau macht“, der steht unter Alkoholeinfluss und bleibt der Arbeit fern, anstatt wie früher „Blau zu machen“.

 

Tonatiuh und die Cochenillelaus

Ähnlich wie ihre europäischen Zeitgenossen maßen Maya und Azteken der Farbe Rot eine besondere Bedeutung bei. Die Azteken assoziierten Rot mit Sonne, Blut und Tod. Nur entsprechende Blutopfer garantierten nämlich das tägliche Erscheinen des Sonnengottes Tonatiuh mit seinen wärmenden Strahlen. Und nur die Cochenilleschildlaus lieferte den richtigen Farbton für die rituellen Gefäße, Gewänder und Federgeschmeide, um diesem Gott gebührend zu huldigen.

Tonatiu Sonnengott der Azteken,Ilustration von Miguel Covarrubias aus: The Aztecs: People of the Sun

Die Azteken züchteten und hegten diese Schildlaus, und trieben mit dem gewonnenen Farbstoff regen Handel – von Mittelamerika bis in die peruanischen Anden.

In Europa wurde ein ähnlich intensives Rot unter dem Namen Kermes (daher Karmin, Karmesin) aus den auf Wurzeln immergrüner Eichen lebenden Kermesläusen gewonnen. Die Nutzung der Kermes-Schildlaus ist seit der frühen Eisenzeit belegt. Die Kelten gewannen diesen Farbstoff, um damit Kleider in den verschiedensten edlen Rottönen zu färben.

 

 

Druckfarbe in Lebensmitteln

Fachleute sind besorgt wegen einer bislang unbekannten Schadstoffquelle für Nahrungsmittel. Kartonverpackungen für Lebensmittel enthielten »hohe Mineralölanteile«, heißt es in einer Studie des Bundesinstituts für Risikobewertung (BfR). Das Problem der gesundheitlichen Belastung durch Lebensmittelverpackungen ist dem BfR schon seit Jahren bekannt. Neben vielen Weichmachern, Dichtungen und Nanomaterialien sind Verpackungskartons und Druckfarben die Hauptursachen für die Verunreinigung von Lebensmitteln. Dass Lebensmittelverpackungen für Schadstoffe in unseren Nahrungsmitteln verantwortlich sind, weiß das BfR seit Jahren. Es ist nicht nur das belastete Altpapier, sondern es sind auch die Druckfarben, die bei der Bedruckung der Lebensmittelverpackungen zum Einsatz kommen und kritisch betrachtet werden müssen. Die in abgepackten Lebensmitteln gefundenen Mineralöl-Rückstände stammen häufig aus recyceltem Papier oder Karton. Die Problematik ist komplex, da der Übergang der Mineralöl-Rückstände aus dem Verpackungsmaterial ins Lebensmittel gasförmig erfolgt. Auch Innenbeutel aus Papier oder Polyethylen stellen offenbar keine wirksame Barriere dar. Schon im Jahr 2006 äußerte sich das BfR unzufrieden bezüglich dieser Situation und nannte auch den Hauptgrund:

„Anders als viele andere Stoffe, die im Kontakt mit Lebensmitteln eingesetzt werden, sind Druckfarben auf europäischer Ebene gesetzlich nicht geregelt.“

Gespräche des BfR mit Vertretern der Druckfarbenindustrie verliefen ergebnislos, denn die Industrie behauptete, dass sich die Migration von Mineralölderivaten durch das Verpackungsmaterial technologisch derzeit nicht völlig vermeiden lässt. Je nach Menge des zu erwartenden Übergangs der Substanzen in Lebensmittel werde die Industrie Daten – insbesondere solche zur Klärung einer eventuell vorhandenen erbgutverändernden Wirkung – erst zwischen 2010 und 2015 vorlegen können.

Im Jahr 2012 machten dann kontaminierte Schokoladen aus Adventskalendern Schlagzeilen und riefen Verbraucherschützer auf den Plan. Ein Antrag der Partei Die Linke, endlich entsprechende Gesetzesvorlagen auf den Weg zu bringen, wurde von CDU/CSU und FDP gegen die Stimmen von Bündnis 90 / Die Grünen und Die Linke abgelehnt. Die SPD enthielt sich dabei der Stimme.

Eine Studie des Fraunhofer Instituts aus dem Jahr 2014 gibt jedenfalls keine Entwarnung für die Problematik der Migration von Farbsubstanzen in Lebensmittel.

Fazit zur ökologischen Gesamtbilanzierung von Öko-Druckfarbe

Der entscheidende Unterschied der mineralölfreien im Vergleich zu den mineralölhaltigen Druckfarben besteht in der Herausforderung, die Mineralöle entweder durch eine Kombination aus Pflanzenölen und Fettsäureestern oder komplett durch Fettsäureester zu ersetzen.

In den übrigen Komponenten wie Pigmenten, Harzen und Additiven unterscheiden sich die mineralölfreien Farben noch nicht von konventionellen Farben. Diese Komponenten kommen in beiden Systemen zum Einsatz. Die Farbpigmente werden auch bei Öko-Druckfarben fast ausschließlich petrochemisch hergestellt.

Immerhin einen sehr wichtigen ökologischen Vorteil hat die so genannte Öko-Druckfarbe: Die eingesetzten pflanzlichen Öle lassen sich biologisch wesentlich besser abbauen als Mineralöle, was vor allem beim Papierrecycling eine große Rolle spielt.

Unbestritten sind auch die Anstrengungen der Farbenindustrie, ökologisch saubere und migrationsfreie Druckfarben zu entwickeln. Leider gibt es zurzeit keine wirklich befriedigenden technischen Lösungen, komplett mineralölfreie Druckfarben herzustellen. Es bleibt zu hoffen, dass die Farbenindustrie ihre Bemühungen intensiviert, Pigmente aus nachwachsenden Rohstoffen zu entwickeln und darüber hinaus eine Verpflichtungserklärung abzugeben, für die natürlichen Bindemittel keine Öle aus gentechnisch veränderten Pflanzen einzusetzen.

Not täte aber in jedem Fall ein ehrlicher Diskurs der Farbenindustrie, um bei dieser Problematik Transparenz zu schaffen. Trotz aller ökologischen Mängel sind die sogenannten Öko-Druckfarben bei der Herstellung von Druckprodukten definitiv die bessere Wahl –  denn digitale Medien sind keine wirklich saubere Alternative.

 

 

 

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Guido Rochus Schmidt

Guido Rochus Schmidt

Autor, Redakteur, Experte für die Nachhaltige Medienproduktion, Lobbyist für die Nachhaltige Transformation

Guido Rochus Schmidt war von 1979 bis 2013 Geschäftsführer der Ulenspiegel Druck GmbH, einer der bis heute ökologischsten Druckereien Europas, seit 1999 mit EMAS zertifiziert. Als Umweltexperte betreute er von 1999 bis 2017 die ökologische Fortentwicklung des Unternehmens. Seit 2017 berät der Experte Unternehmen bei allen Fragen der Nachhaltigen Medienproduktion.

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