Klimaneutral drucken
Das Greenhouse Gas-Protokoll – Die Basis für Klimaneutralität

Die meisten Druckereien in der DACH-Region werben heute mit klimaneutralen Druckprodukten. Der Begriff „klimaneutral“ ist nicht gesetzlich geschützt. Er signalisiert, dass Unternehmen für ihre Produkte Ausgleichszahlungen in Klimaschutzprojekte leisten, um dadurch ihre CO2-Emissionen zu kompensieren. Die Bedingungen für diese Ausgleichszahlungen sind nicht normiert und daher so mannigfach wie die Projekte, die damit finanziert werden. Was genau dahintersteckt bleibt oft ein Rätsel. Ein Überblick für Printbuyer. 

von | November 2020 | Allgemein | 0 Kommentare

Helping Hands, Bild von stokpic auf Pixabay
 
Helping Hands, Bild von stokpic auf Pixabay
 

Die Philosophie des Ausgleichs von CO2-Emissionen beruht auf der wissenschaftlichen Erkenntnis, wonach das globale Klima von Treibhausgasen beeinflusst wird, unabhängig vom Ort ihres Entstehens. Im Umkehrschluss bedeutet das, dass Treibhausgas-Emissionen, die an einem Ort entstehen, durch die Verminderung von Treibhausgasen an einem anderen Ort kompensiert werden können.

Im Rahmen des Kyoto-Protokolls entstanden auf Basis dieser Ausgleichsphilosophie auf staatlicher Ebene sogenannte Verpflichtungsmärkte, die Unternehmen die Möglichkeit bieten, durch Ankauf und Handel mit Zertifikaten für Klimaschutzprojekte ihre Treibhausgasemissionen auszugleichen.

Die Grundlage für den Handel mit solchen Ausgleichszertifikaten besteht in der Ermittlung der betrieblichen Treibhausgasemissionen. Für die Menge der verursachten Emissionen werden entsprechende Ausgleichszahlungen durch den Ankauf von Klimaschutzzertifikaten geleistet.

Die Bilanzierung betrieblicher Treibhausgasemissionen

Für die Bilanzierung von betrieblichen Treibhausgasemissionen und dem dazugehörigen Berichtswesen wurde schon in den 90er Jahren von internationalen Verbänden wie dem World Resources Institute (WRI), einer Denkfabrik zum Thema Umweltschutz, und dem World Business Council for Sustainable Development (WBCSD) ein transnationaler Standard entwickelt – das Greenhouse Gas Protokoll (GHG Protocol).

Die Standards des GHG Protocol knüpfen meist an internationale Klimapolitik-Vereinbarungen an und schließen Regelungslücken, die von staatlicher Seite noch nicht ausgefüllt wurden. Das GHG Protocol gilt als der umfassendste, weltweit angewendete Standard zur Erstellung von Treibhausgasbilanzen. Zahlreiche weitere Standards bauen auf ihm auf, wie z. B. die ISO 14064, oder andere staatliche Unternehmensstandards.

Bei der Einführung des Standards müssen zunächst die zeitliche Dauer der Bilanzierung und die Organisationgrenzen (Größe des Betriebs, Joint Ventures etc.) festgelegt werden. Innerhalb der Organisationsgrenzen werden dann die Emissionsquellen identifiziert, die bei der Leistungserbringung unter Unternehmenskontrolle stehen. Die aus diesen Quellen emittierten Treibhausgase bilden die direkten Emissionen. Alle anderen Emissionen, die aus Quellen außerhalb der Organisationsgrenzen stammen, nennt man indirekte Emissionen.

Klimaneutral gedruckt auf Basis des Greenhouse Gas Protokolls

Im deutschsprachigen Raum gibt es eine Reihe von Beratungs- und Zertifizierungsfirmen, die Druckunternehmen bei der Bilanzierung ihrer Treibhausgasemissionen unterstützen. Alle diese Beratungsfirmen benutzen als Basis der Bilanzierung betrieblicher Emissionsquellen, die vom GHG Protocol definierten Bereiche der Datenerfassung – sogenannte Scopes.

Eine Druckerei, die klimaneutrale Produkte anbietet, ermittelt zuerst in drei  Scopes ihren CO2-Fußabdruck:

Scope 1: Die Emissionen stammen aus Emissionsquellen innerhalb des Unternehmens, etwa von Blockheizkraftwerken, Gasheizungen, Kühlgeräten, oder unternehmenseigenen Fahrzeugflotten.

Scope 2: Diese Emissionen entstehen bei der Erzeugung von Energie (Strom und Wärme), die von außerhalb bezogen wird.

Scope 3:-Hier werden sämtliche übrigen Emissionen erfasst, die durch die Unternehmenstätigkeit verursacht werden, die aber nicht unter der Kontrolle des Unternehmens stehen, zum Beispiel bei Zulieferern der Produktionsmittel, Dienstleistern, oder Mitarbeitern.

Aus der Betrachtung all dieser Quellen wird von Gutachtern anschließend ein individuelles Emissionsprofil des Betriebs ermittelt. Alle betrieblichen Daten aus den drei Scopes werden in einem, von den Beratungsfirmen zur Verfügung gestellten, sogenannten CO2-Rechner erfasst. Dieser dient als Grundlage für die Berechnung der Höhe der betrieblichen CO2-Emission und der Kosten für Kompensierungszertifikate für Klimaschutzprojekte.

Druckereien können sich entscheiden, ob sie mit Hilfe des CO2-Rechners auf Kundenwunsch die Emissionen eines einzelnen Druckprodukts kompensieren wollen, oder ihre jährliche gesamte Produktion klimaneutral stellen.

Jeder einzelne Druckauftrag erhält anschließend zusammen mit dem Label eine unverwechselbare ID-Nummer und lässt sich so auch über Jahre hinaus zurückverfolgen.

Die Klimaneutral gedruckt-Zertifizierung eines Druckunternehmens durch Beratungsfirmen wie  natureOffice, myclimate, SWISS CLIMATE, ClimatePartner, oder die CO2 Klimainitiative des Bundesverbands Druck & Medien (BVDM) wird bei allen nach dem beschriebenen Prinzip umgesetzt.

Neben der Zertifizierung des Unternehmens bieten die genannten Firmen auch den Handel mit Zertifikaten für Klimaschutzprojekte an. Dabei prüfen unabhängige internationale Institutionen, wie der WWF, oder die in Amerika ansässige Organisation Verra, Nutzen und Qualität der angebotenen Klimaschutzprojekte und zertifizieren diese nach einem Standard. Die zwei am weitesten verbreiteten Standards hierfür sind der Verified Carbon Standard (kurz VCS) und der Gold Standard. Beide erfüllen die vom Kyoto-Protokoll geforderten Kriterien und Auflagen.

Bewertungsstandards von Klimaschutzprojekten

Der Verified Carbon Standard (VCS-Zertifikat) wurde 2005 gegründet und ist der am weitesten verbreitete Qualitätsstandard zur Validierung und Verifizierung von freiwilligen Emissionsminderungen. Neben der dauerhaften klimaschützenden Auswirkung müssen die unterstützten Projekte auch das jeweilige Land nachhaltig in seiner Entwicklung fördern. Die Emissionsminderungen aus Projekten, die das VCS-Zertifikat tragen, müssen von unabhängigen Dritten geprüft, einzigartig, transparent und nachhaltig berechnet sein.

Der Gold Standard wurde 2003 vom WWF und anderen Umweltschutzorganisationen entwickelt, um die ökologische und soziale Nachhaltigkeit der Klimaschutzprojekte sicherzustellen. Er gilt als der weltweit strengste Standard im freiwilligen Emissionshandel. Nur Projekte, die nachweislich zur Reduktion von Treibhausgasen führen und gleichzeitig gut für die lokale Umwelt und die sozialen Belange der Bevölkerung sind, werden durch den Gold Standard von unabhängigen Gutachtern zertifiziert.

Klimaschutzprojekte – Eine Auswahl

Die genannten Beratungs- und Zertifizierungsfirmen bieten eine große Auswahl an Klimaschutzprojekten an. Alle Projekte sind nach dem beschriebenen VCS-Standard, oder den Gold Standard zertifiziert. Druckereien, die klimaneutral zertifiziert sind, können sich aus dem Projekteportfolio der für sie zuständigen Beratungsfirma, das für ihr Unternehmen passende Klimaschutzprojekt aussuchen.

myclimate entwickelte bislang über einhundert Klimaschutzprojekte in rund dreißig Ländern. Diese dienten nicht allein dem Klimaschutz sondern sind ganzheitlich nachhaltig angelegt.

SWISS CLIMATE betreut Projekte in der Schweiz, Lateinamerika, Europa, China und Russland.

ClimatePartner bietet weltweit über alle Kontinente Projekte an.

CO2 Klimainitiative des Bundesverbands Druck & Medien verwaltet Projekte, in Mali, Costa Rica, Türkei, Indien und Afrika.

natureOffice bietet Projekte aus Deutschland, Österreich, Niederlande, Togo an.

Neben dem Ankauf von Klimaschutzzertifikaten über die genannten Beratungsfirmen, kompensieren manche Druckereien ihre Emissionen selbst, etwa durch Ausgleichszahlungen an regionale oder eigene Projekte. Die bonitasprint gmbh in Würzburg unterstützt das Klimaschutzprogramm im Bioreservat Rhön. Die österreichische Druckerei Janetschek kompensiert ihre Emissionen durch Unterstützung eines Humusaufbauprojekts vor Ort.

Höhe der Kosten von Klimaschutzzertifikaten

Der Preis, der für ein Zertifikat bezahlt werden muss, wird stark von der Qualität und Größe eines Klimaschutzprojektes beeinflusst. Daher kann es zu erheblichen Preisschwankungen auch innerhalb eines Zertifikatstandards kommen. Zudem ist es meistens günstiger, in weniger entwickelten Ländern die gleiche Menge CO2 zu reduzieren als in industrialisierten Ländern. Weitere Einflussfaktoren sind das Alter der Zertifikate (Gründungsdatum des Projekts) sowie die Höhe der Nachfrage nach bestimmten Projekttypen oder Standorten. Auch das Volumen, das gekauft wird, ist ausschlaggebend. Wie im Groß- und Einzelhandel auch, wird der Stückpreis günstiger, wenn große Mengen aufgekauft werden. Der Preis eines Kompensationszertifikats setzt sich daher aus vielen Faktoren zusammen.

Der Verified Carbon Standard hat momentan in Deutschland einen Marktanteil von 20 Prozent und unterliegt einer Preisspanne von 5 – 23 Euro pro Tonne emittiertem Treibhausgas. Der Marktanteil des Gold Standards liegt in Deutschland bei 73 Prozent, die Preisspanne ebenfalls bei 5–23 Euro pro Tonne emittiertem Treibhausgas.

Die Mehrkosten, die ein Printbuyer für ein klimaneutral hergestelltes Druckprodukt zu bezahlen hat, setzten sich somit aus den Zertifikatskosten des jeweiligen Klimaschutzprojektes, für das sich ein Druckunternehmen entscheidet sowie der individuellen Emissionsbilanz der jeweiligen Druckerei zusammen. Druckereien, wie die UmDEX-Unternehmen, die durch prozessorientierte Klimaschutzmaßnahmen die Emissionen in der Produktion deutlich reduziert haben, können ihre Produkte günstiger anbieten. Im Durchschnitt liegen die Mehrkosten für ein klimaneutrales Druckprodukt  bei etwa 1 – 2 Prozent.

Unternehmen, die die den Ausgleich von CO2-Emissionen pro Auftrag anbieten, können darüber konkrete Nachweise erbringen. Solche, die angeben, sämtliche Produktionsvolumen auszugleichen, melden die entsprechenden Umsatzdaten an die entsprechenden Beratungs- und Zertifizierungsfirmem, die diese Angaben jedoch nicht weiterführend prüfen.

 

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Guido Rochus Schmidt

Guido Rochus Schmidt

Autor, Redakteur, Experte für die Nachhaltige Medienproduktion, Lobbyist für die Nachhaltige Transformation

Guido Rochus Schmidt war von 1979 bis 2013 Geschäftsführer der Ulenspiegel Druck GmbH & Co. KG, die 1999 als erste Druckerei Bayerns das EMAS-Zertifikat der Europäischen Union erhielt. Als Umweltexperte betreute er von 1999 bis 2017 die ökologische Fortentwicklung des Unternehmens. Seit 2017 berät der Experte Unternehmen bei allen Fragen der Nachhaltigen Medienproduktion.

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Klimapositivität
​Klimaneutral war gestern, denn der Zeitpunkt an dem sich der Klimawandel verselbständigt, wird schon bald erreicht sein. Die Erderwärmung wird erst dann wieder zum Stillstand kommen, wenn es gelingt, das Gleichgewicht zwischen Ausstoß und Senkung von Treibhausgasen nicht nur zu neutralisieren, sondern ins Positive zu wandeln. Klimapositivität ist daher das Gebot der Stunde,

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