Nachhaltige Medienproduktion
Umweltgerechtigkeit als Marketingvorteil im Wettbewerb der Druckbranche

Gerade mal 270 Jahre industrieller Entwicklung hat es gedauert, bis der Mensch seine eigenen Lebensgrundlagen und die der meisten Lebewesen auf diesem Planeten massiv zerstört hat. Nach dem vorherrschenden anthropozentrischen Weltbild besitzen Tiere, Pflanzen und unbelebte Materie keinen eigenständigen Wert. Dabei müsste die Frage der globalen Umweltgerechtigkeit im Mittelpunkt sozialen und wirtschaftlichen Handelns stehen, damit es in Zukunft eine für alle Menschen attraktive, das heißt lebenswerte Produktions- und Lebensweise geben wird.

Kraftwerk, Bild von jwvein auf Pixabay

Die Druckindustrie befindet sich seit Anfang des einundzwanzigsten Jahrhunderts in einem ständigen Umbruch. Der Siegeszug des Internets veränderte drastisch das allgemeine Mediennutzungsverhalten. Die damit verbundene Verlagerung von Print zu Online trieb die Umstrukturierung der Branche rasant voran.

Dauerkrise in der Druckbranche

Die Zahl der Betriebe und Beschäftigten nahm seither kontinuierlich ab. Gab es Anfang des Jahrhunderts noch knapp 11.000 Druckunternehmen, so hat sich laut einer aktuellen Erhebung des Bundesverbands Druck und Medien die Zahl bis heute auf gerade noch 8.000 Betriebe reduziert. 40.000 Beschäftigte verloren seither ihre Arbeit, der Gesamtumsatz der Branche sank um knappe 4 Millionen Euro. Die ständige Weiterentwicklung digitaler Kommunikationstechniken verändert nicht nur die sozialen gesellschaftlichen Verhältnisse – auch die Umwelt bleibt dabei auf der Strecke.

Die Wirtschafts- und Finanzkrise in der sich die Druckbranche seit Beginn des neuen Jahrtausend in zunehmendem Maß befindet, kann nicht von der aktuellen ökologischen Krise und den Krisen von Demokratie und Gerechtigkeit getrennt werden. Das Konzept der Umweltgerechtigkeit als Kern einer sozial-ökologischen Transformation muss einer solchen Trennung entgegenarbeiten, damit es erfolgreich sein kann. Leider wird dieser Zusammenhang von sehr wenigen Unternehmen erkannt. Unter den 8.086 noch existierenden deutschen Druckunternehmen arbeiten lediglich knappe 0,5 Prozent umweltgerecht.

Die ökologischen Mängel der Druckbranche verhindern ökologisches Marketing

Die Gründe für die fehlende Berücksichtigung von Umweltaspekten im Marketing liegen in der mangelhaften Erschließung neuer Marktsegmente. Zu lange hat die Branche eine langfristige strategische Kunden- und Wettbewerbsorientierung in Richtung Umweltgerechtigkeit verfehlt, und damit auch den zentralen Ausgangspunkt ökologischen-Marketings.

Umweltgerechtigkeit

Eine rechtzeitige umweltgerechte Gestaltung des Leistungsprogramms und der damit verbundenen produktpolitischen Entscheidungen wäre notwendig gewesen, da die Basis einer umweltorientierten Produktgestaltung zu allererst durch die umweltgerechte Ausgestaltung der Dienstleistungen und der betriebsinternen Produktionsprozesse geschaffen wird. Erst diese Schritte ermöglichen es, die Umweltorientierung eines Unternehmens über den Grad der Vermeidung und Verringerung von Umweltbelastungen eines Produkts und seiner Herstellung serös und nachweisbar zu kommunizieren.

Leider hat die Branche diese Möglichkeiten in den letzten beiden Jahrzehnten ignoriert. Stattdessen wurde – gleich einem hilflosen Kaninchen – auf die Schlange der rasanten Entwicklung digitaler Kommunikation und schwindender Nachfrage für gedruckte Produkte gestarrt. Statt effektive Marketingstrategien zu entwickeln, um Umsatzrückgänge zu kompensieren, versuchte man, sich mit immer günstigeren Preisen gegen Markteilnehmer durchzusetzen – ein Wettlauf, der für kein Unternehmen zu gewinnen war. Web-to-Print – Anbieter, die zudem wie Pilze aus dem Boden schossen, erhöhten mit Dumpingangeboten den Preisdruck noch stärker. Bis heute fielen dieser Entwicklung 30 Prozent der deutschen Druckunternehmen zum Opfer.

Umweltgerechtigkeit als Marketingvorteil im Wettbewerb

Die Dynamik des Preisverfalls lässt sich durch traditionelles Marketing kaum noch umkehren. Die globale Wirtschafts- und Finanzentwicklung ist branchenübergreifend von ökologischen und sozialen Veränderungen abhängig. Marketingstrategien die dem nicht Rechnung tragen sondern in neoliberalen Modellen verharren, bleiben auf Dauer unwirksam. Auch die nationale und internationale Politik hat dies bis heute kaum begriffen. Das Festhalten an der neoliberalen Sparpolitik wie sie etwa von der deutschen Regierung unbeirrt betrieben wird, steht in einem kaum zu lösenden Konflikt mit den sozialen und ökologischen Forderungen, die sich immer stärker in den industriellen Gesellschaften Gehör verschaffen und denen es vor allem um gesellschaftliche und umweltspezifische Gerechtigkeit geht.

Diese berechtigten Forderungen in einem Korridor ökologischer Modernisierung anzusiedeln, der dem Standort mächtiger Wirtschaftsakteure nicht schaden darf, wird dem Problem ökologischer gesellschaftlicher Umgestaltung in keiner Weise gerecht, solange sie nicht definitiv auf der politischen Tagesordnung steht. Umso wichtiger wird es daher sein, dass sich die Zivilgesellschaft wie auch private Unternehmen auf nachhaltige und solidarische Produktionsprozesse besinnen. Denn sie allein – und nicht eine auf Wachstum setzende Politik – werden in Zukunft die Pioniere des Wandels sein.

Druckereien wie oeding print Gmbh, Druckstudio GmbH, DBM Druckhaus Berlin-Mitte GmbH, Druckerei Lokay Druck e. K., Ulenspiegel Druck GmbH, Druckerei Janetschek, Printzipia, Kern GmbH, die schon heute seriös und nachvollziehbar umweltgerecht produzieren, sind die Vorreiter der gesellschaftlich ökologischen Transformation. Allein darauf beruhen ihre ökologische Glaubwürdigkeit und die Chance, mit Hilfe ökologischen Marketings die Durchsetzung höherer Preise als Basis eines umweltgerechten Verhaltens zu erreichen.

Für alle anderen Unternehmen der Branche, die sich diesem Prozess verweigern, bleibt letztlich nur das übliche Karussell des Preisdumpings oder der plumpe Versuch, sich mit nicht überprüfbaren Behauptungen grün zu waschen, um auf diese Weise umweltbewusste Kunden zu täuschen und sich Marktanteile zu verschaffen, die ihnen definitiv nicht zustehen. Ob diese Taktik langfristig erfolgreich sein wird, ist mehr als zweifelhaft.

 

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Guido Rochus Schmidt

Guido Rochus Schmidt

Autor, Redakteur, Experte für die Nachhaltige Medienproduktion, Lobbyist für die Nachhaltige Transformation

Guido Rochus Schmidt war von 1979 bis 2013 Geschäftsführer der Ulenspiegel Druck GmbH, einer der bis heute ökologischsten Druckereien Europas, seit 1999 mit EMAS zertifiziert. Als Umweltexperte betreute er von 1999 bis 2017 die ökologische Fortentwicklung des Unternehmens. Seit 2017 berät der Experte Unternehmen bei allen Fragen der Nachhaltigen Medienproduktion.

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Lobbyismus gegen Nachhaltigkeit
Die gegenwärtige Zunahme der Weltbevölkerung, der Ausbau der Industrialisierung, die Ignorierung der Umweltverschmutzung durch naturschädliche Nahrungsmittelproduktion und die Ausbeutung natürlicher Rohstoffe hält unverändert an. Daher werden die absoluten Wachstumsgrenzen auf der Erde im Laufe der nächsten hundert Jahre erreicht sein.

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