Historie Hochdruck
Der Hochdruck: Das älteste grafische Verfahren
Gesellschaftliche Kommunikation: Der deutsche Holzschneider Helmut Andreas Paul (HAP) Grieshaber (1909 – 1981) hat mit seinem Wirken nicht nur künstlerische Bedeutung erlangt, sondern sich auch immer wieder gesellschaftspolitisch engagiert. Dabei entwickelte er eine eigene, unverwechselbare Bildsprache, die er auch in großformatigen Arbeiten umsetzte, und so die Technik des Holzschnitts revolutionierte.
Holzschnitt Vertreibung aus dem Paradies von HAP Grieshaber, Bildquelle: Ketterer Kunst GmbH & Co KG, München
Holzschnitt Vertreibung aus dem Paradies von HAP Grieshaber, Bildquelle: Ketterer Kunst GmbH & Co KG, München
Grieshaber war Herausgeber von Zeitschriften wie dem Engel der Geschichte. Von 1964 bis 1980 gab er die nach Walter Benjamins Allegorie „Geschichtsengel“ benannte Zeitschrift heraus. Sie erschien immer dann, wenn es ein aktuelles, politisches, oder geschichtliches Ereignis nahelegte. Sie enthielt die umfangreichste Sammlung seines gesamten Oeuvres.
Seine Themen spannen sich von der Flora und Fauna der Schwäbischen Alb über Liebespaare, religiöse und mythologische Darstellungen bis hin zu politischen, sozialen und ökologischen Fragen. Im Zentrum seines Werks standen dabei stets der Mensch und die Menschenwürde, für die er sich engagierte, wann immer es ihm nötig erschien.
“Ich will die großen Themen der Menschheit angegangen haben.” sagte Grieshaber selbst.
Als Kritiker des Nationalsozialismus wurde ihm 1937 von der Reichskulturkammer die Untersagung der Berufsausübung als Gebrauchsgrafiker und Maler angedroht, sie wurde aber nicht ausgesprochen. Nach dem Beginn des Zweiten Weltkriegs wurde Grieshaber 1940 in die Wehrmacht eingezogen und war als Funker in Hagenau im Elsass stationiert. 1945 geriet er in amerikanische Kriegsgefangenschaft und war etwa ein Jahr lang in Mons (Belgien) interniert.
Während der Diktatur des Nationalsozialismus konnte der in Reutlingen lebende, links orientierte Künstler nur im Verborgenen arbeiten. Dennoch entstand bereits in dieser Zeit ein beachtliches Holzschnittwerk. Landschaften der Schwäbischen Alb, Tiere, religiöse und mythologische Themen wurden immer wieder im zeitgenössischen und politischen Kontext, aber auch davon losgelöst variiert. Während die frühen Arbeiten zunächst stark vom mittelalterlichen Linienholzschnitt ausgingen, gelang Grieshaber seit den späten 1930er Jahren eine überzeugende Synthese des Linienschnittes mit dem Flächenholzschnitt zu erzeugen.
Da er sich aber als Künstler nicht durchsetzen konnte, hielt er sich mit Gelegenheitsarbeiten über Wasser. Als Staatsfeind des Nazi-Regimes hatte er von 1933 bis 1945 nicht auf der Achalm wohnen dürfen. Damals arbeitete er als Zeitungsausträger, Hilfsarbeiter und Müllkutscher. Trotz seiner Mitarbeit an Widerstandsdrucken im Elsass verurteilte man ihn, nach Kriegsende als Gefangener in einem französischen Bergwerk zu schuften, und entzog ihm die Lizenz als Verleger, weil er sich in einer ersten Nachkriegszeitung für seine unterdrückten Landsleute eingesetzt hatte.
Nach Ende des Nazi-Regimes gehörte HAP Grieshaber zu den bemerkenswertesten Holzschnitt-Künstlern der deutschen Nachkriegszeit. Er brachte den Holzschnitt mit handwerklicher Meisterschaft ins große Format und machte ihn dem Wandbild ebenbürtig. Dabei gelang es ihm, dem harten, kantigen Material oft ungewohnt zarte, lyrische Töne abzuringen.
Anfang der 1950er Jahre entstanden während seiner Tätigkeit an der Bernsteinschule einer privaten Kunstschule im ehemaligen Kloster Bernstein bei Sulz am Neckar – heute Landkreis Rottweil, Baden-Württemberg) die ersten lebensgroßen Holzschnitte, die er später zu teilweise mehrteiligen Zyklen erweiterte.
Die Kunst des Holzschnitts
Der Holzschnitt ist ein Hochdruckverfahren, bei dem ein reliefartiger hölzerner Druckstock verwendet wird, um Grafiken zu erzeugen; auch die so erzeugte einzelne Grafik wird Holzschnitt genannt. Der Holzschnitt zählt wie der Holzstich und der Blockdruck zu den lithografischen Verfahren der Xylographie (Xylographie war ein bis zum 19. Jahrhundert gebräuchlicher Begriff für Druckverfahren wie Blockdruck, Holzschnitt und Holzstich, die mit hölzernen Druckstöcken arbeiteten.) Die durch diese Verfahren erzeugten Werke werden als Xylographien bezeichnet.
Seit der Erfindung des Buchdrucks war der Holzschnitt das geeignete Verfahren, um Bücher zu illustrieren, da der Druckstock in den typographischen Satz eingefügt und mit ihm zusammen in einem Arbeitsgang gedruckt werden konnte.
Holzschnitte, bei denen verschiedene Holzschnittplatten für verschiedene Farben verwendet werden und somit auf dem fertigen Abzug mehrere Farben zu sehen sind, bezeichnet man als Farbholzschnitte.
Herstellung des Druckstocks
Zur Herstellung des Druckstocks werden von einem glatt gehobelten Holzbrett mit Schneidemessern die nicht druckenden Teile entfernt und die erhabenen Teile danach eingefärbt und abgedruckt (Hochdruck). Der Abdruck erfolgt durch Handabreibung mittels eines Falzbeins oder durch eine Druckpresse.
In der Regel wird ein Holzblock so zugeschnitten, dass eine etwa zwei bis vier Zentimeter starke Platte entsteht, deren Fasern in der Richtung der Bildfläche verlaufen (Langschnitt). Sie wird sorgfältig gehobelt, geschliffen und geglättet, bis die vollkommen plane Fläche mit einer Grundierung, meist einer dünnen weißen Kreideschicht, überzogen werden kann.
Auf dieser Kreideschicht wird in der Regel vom Künstler die Vorzeichnung angebracht, danach mit verschiedenen Messern die vorgezeichneten Linien haarscharf umschnitten. Dies erfolgt nicht mit einem senkrechten Schnitt, sondern mit zwei Schnitten, einem schrägen von der aufgezeichneten Linie weg und einem gegenschrägen (Schnitt und Gegenschnitt), wobei sich dann ein Holzspan entfernen lässt.
Am Ende dieses Prozesses bleiben die Linien und Flächen der Zeichnung als Grate, Stege oder Inseln stehen. Bei diesem so genannten Schwarzlinienschnitt wird die Figuration durch schwarze Linien auf weißem Grund gebildet.
Verwendete Holzarten
Für den Holzschnitt eignen sich nahezu alle Nutzhölzer. Eine der wenigen Holzarten, die für den Holzschnitt kaum zu gebrauchen ist, ist das der gewöhnlichen Kiefer, da ihr Holz zu inhomogen, gelegentlich astig und zu harzig ist.
Der Druck
Der Druck erfolgt, indem die Holzplatte auf ungeleimtes Papier – wahlweise dickes Bütten- oder dünnes Reispapier – gepresst wird, welches dadurch die Farbe aufnimmt. Beim Reiberdruck geschieht dies durch Reiben des aufgelegten Papiers mit dem Handballen; beim Bürstendruck wird durch das Streichen einer Bürste über das Papier die notwendige enge Verbindung von Papier und Druckstock bewirkt. Am häufigsten wird der Abzug jedoch mit einer Buchdruckpresse hergestellt, die einen mäßigen vertikalen Druck auf die horizontale Platte mit dem aufgelegten Papier ausübt.
Nach jedem Druckvorgang wird die Platte neu eingefärbt. Da Kniehebelpressen, die man früher bevorzugt für den Druck von Holzschnitten verwandte, heute nicht mehr hergestellt werden und kaum noch erhältlich sind, wird häufig auch auf Walzenpressen (Tiefdruckpressen) gearbeitet. Eine Leitschiene oder eine größere Abdeckplatte über Druckstock und Papier können das Hin- und Herschwingen der Walzenpresse vorwegnehmen. Holzschnitte mit hohen Auflagen werden oft auf Buchdruckpressen gedruckt.
Holzschnitte werden mitunter auf den Stein umgedruckt und wie eine Lithografie abgezogen. Es handelt sich dann um eine Lithografie nach einem Holzschnitt, also um eine „originalgrafische“ Reproduktion.
Grieshabers Lebenslauf – Dynamik zwischen Betroffenheit und Hoffnung
Unregelmäßige Auftragsarbeiten sicherten dem ausgebildeten Buchdrucker und Schriftsetzer in den Anfängen seinen Lebensunterhalt und ermöglichten ihm Reisen nach Ägypten und Griechenland. Sich ganz dem Miteinander widmend, sind Grieshabers Aktivitäten nach dem Krieg geprägt von regem Engagement im Deutschen Künstlerbund und neu gegründeten Kunstgruppierungen.
1946 kehrte er in den Reutlinger Raum zurück, wo er ab dieser Zeit auf der Achalm bei Eningen, einer unmittelbaren Nachbargemeinde Reutlingens, lebte und arbeitete. 1950 wirkte er an der Neugründung des Deutschen Künstlerbundes mit, dessen Vorstand er von 1956 bis 1967 angehörte.
Grieshaber engagierte sich auch gesellschaftspolitisch, so zum Beispiel gegen die Diktaturen in Griechenland zwischen 1967 und 1974 und Chile nach dem Militärputsch von 1973, sowie im Bereich Landschaftsschutz/Ökologie, wie auch gegen Atomkraftwerke und für den Brückenschlag zwischen den beiden deutschen Staaten DDR und BRD. Seine wichtigste Mitstreiterin wurde die Lyrikerin Margarete Hannsmann , die von 1967 bis 1978 seine Lebensgefährtin war.
Seine revolutionäre Technik des Holzschnitts im Deutschland der Nachkriegszeit hat bis heute nicht an Aktualität verloren – von Naturschutz bis hin zu sozialer Gerechtigkeit. FORM und SPRACHE definierten all die Jahre sein künstlerisches Erbe weit über die Mitte des 20. Jahrhunderts, gerade in der graphischen Umsetzung der für ihn prägenden Themen und Fragen des Nachkriegsdeutschlands.
HAP Grieshabers Werdegang war gezeichnet von politischen Umbrüchen und Fragen nach Identität im historischen Kontext von zwei Weltkriegen, der Teilung Deutschlands und einer Sensibilisierung für Missstände auf internationaler Ebene.
Gerade in der Darstellung von Missständen internationaler Art und humanistischer Belange im Spektrum von Fragen nach Identität bis zur Thematisierung von Umwelt- und Artenschutz, bieten seine Werke noch heute Reibungspunkte. Bereits 1972 prangert er beispielsweise im Schriftzug eines Holzschnitts mit „Umweltschutz Sache der Jugend“ die Betrachter:innen an und verweist auf damalige Handlungsmissstände.
„Vor allem Grieshabers Spätwerk ist von den politischen wie sozialen Missständen und Umweltfragen seiner Zeit geprägt“, Aktivistische Aktionen der jüngsten Vergangenheit zeigen, dass diese Fragen bis heute nicht an Aktualität eingebüßt haben“, betont die wissenschaftliche Mitarbeiterin des Museums Wiesbaden, Jana Dennhard M.A..
Im Frühsommer 1980 fuhren die Geschäftsführer:innen der Ulenspiegel Druck und Verlag GmbH, Irene Mayer Eschenbach und Guido Rochus Schmidt nach Reutlingen, und besuchten HAP Grieshaber in seiner Werkstatt auf der Achalm. Er starb ein Jahr später, am 12. Mai 1981 in Eningen am Fuße der Achalm an einer Lungenkrankheit.
Guido Rochus Schmidt
Autor, Redakteur, Experte für die Nachhaltige Medienproduktion, Lobbyist für die Nachhaltige Transformation
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